romantikmaschine / 9 gedichte

1

Noch nie habe ich dich berührt und noch nie verloren.
Ich steh auf deine stolze Zerbrechlichkeit, deine entspannende Verwirrung.
Ich vermisse dich so sehr, dass jede Nacht mein Bettbezug entgleist.
Nie würdest du nüchtern etwas schwören.
Ich liebe dich - auch wenn ich nicht so aussehe.
Der Frühling fühlt sich so falsch an.

Bald das weiche Leuchten des Feldes bei Sonnenuntergang,
warme Felle und Augen voll glühendem Gas.
Mein Körper ist eine Erektion und es gibt
kein besseres Loch als deine Seele.

2

Mein Herz jagt mich durch die magere Dunkelheit der Welt,
hungrig, nimmer müde, versehentlich verschossen in dich.
Schamlos geworden in der selbstmörderischen Lust dich zu küssen
schlang ich meinen Herbst um deinen Frühling,
will ich meinen Regenschirm in dir aufspannen,
oh wenn du mir doch den Gefallen tun könntest,
mich schon im Kindergarten getroffen zu haben.
Wie weit willst du heute Abend gehen?

3

Ich will in das Kinderzimmer,
in dem du als kleiner Junge gespielt hast,
aber du sagst,
das Haus ist abgerissen.

Mein Musikgeschmack
ahnt deine Unendlichkeit.

Als ich mal nicht von dir träumte,
hab ich mir eine neue Matratze gekauft.

4

Wir randalieren unsere Seele immer flauschiger
mit stumpfen Gegenständen im Regen durch die Stadt
wie riesige Amphetamin-Tiere.

Warum-Fragen sind lästig, ich hab sie mir alle schon gestellt
und irgendwas in mir hat sie beantwortet,
ohne mir Bescheid zu geben.

Mein Bett riecht nach Frühlingswärme,
Müdigkeit und
schalem Champagner,
wartet auf die Wärme deines Körpers;
meine Wärme wartet auf deine Wärme,
ich will dich ganz auf meine Seite ziehen.

Unsere Körper sind Aristokraten
und unser Geist lebt in Anarchie
- beide tanzen um Vorherrschaft.

5

Ich will mit dir die Ewigkeit vor dem Urknall bewohnen,
ich will mit dir zufällig den Urknall initiieren,
ich will in deinem Arsch kommen,
während unter uns die Milchstraße entsteht,
ich will mit dir im Ur-Ozean herumtauchen und dich lieben
bis Leben entsteht.

Ich will mit dir Beeren sammeln,
ich will mit dir uns zu Ehren die Pyramiden errichten,
mit dir Rom regieren,
mit dir hexend und mordend die mittelalterliche Kirche unterwandern,
in der Epoche der Aufklärung auf einem Bauernhof
das einfache Leben auskosten.

Und blutige Revolutionen überleben,
von 1890 bis 1913 ein dekadentes Studentenleben führen,
dann fasziniert sein vom ersten Weltkrieg,
nihilistisch sein in der Weimarer Republik,
fasziniert sein von Hitler,
verfolgt werden von Hitler, aus dem Laden raus
und Unterschlupf finden bei spanischen Anarchisten,
später ein paar Millionen machen
mit gesellschaftskritischen Filmen
und dissoziiert ein neues Staatskonzept erfinden,
für das die Zeit noch nicht reif ist. Schwein gehabt.

Dann noch ein paar wichtige politische Morde begehen,
während wir ein bürgerliches Leben in Berlin haben und
wenn die Zeit reif ist, wieder versuchen,
einen neuen Staat zu errichten.

6

Hey, große Mama, wo ist mein Charmegefühl?
Ich habe kein Zentrum für Glaubwürdigkeit in mir.

Ich bin nicht stark genug - ich bin nicht zerbrechlich genug.
Ich kann nicht klar denken und
mein Denken ist ein perpetuum mobile,
kreisend um ein ewiges Loch, das kein Gott und kein Schwanz
stopfen kann.

Mein Zuviel ist mir zu wenig und dieses Zuwenig ist mir viel zu viel und ich halt es nicht aus und dieses Nicht-aushalten-können ist mir viel zu wenig und dieses Zu-wenig-sein ist mir zu viel.

Nimm das Messer und schau, wie weit du kommst.
Vielleicht kommt dir beim Anblick
deiner eigenen Blutlache
ein Gefühl von Zugehörigkeit in dein Herz.

Ich hab so wahnsinnige Lust dich dazu zu bringen mich zu schlagen,
mich anzuschreien, mir mit einem Messer Angst zu machen.
Ich liebe deine Aggression, deine Gereiztheit, deine abweisende Art.
Ich steh auf deine Ambivalenz, die mit meiner Ambivalenz Schach spielt.
Wir sind wichtig,
ich bin größenwahnsinnig,
ich bin eine Schande, ich bin aufgeblasen, zerrissen,
meine Scheu vor dir und der Welt ist ironisch gemeint
und die Distanz zwischen uns wird immer größer.

7

Ich schleiche durch die Stadt und dringe
durch einen zufällig entstandenen Riss
in deine Welt ein.
Schleichen ist aller Laster Perfektion.

Ich weiß, wo ich in deinem Zimmer die besten Sachen finde.
Ich habe kein Recht böse zu sein,
ich habe kein Recht gut zu sein.
Ich kappe die Verbindung zwischen dir und der Welt.

Du kommst hier nicht mehr raus.

Deine Ahnung, dass ich in der Nähe bin,
elektrisiert mein Nihilismus-Organ.
Ich liebe es,
wie sich mein dunkler Körper
in deine Richtung hungert.

Ein guter Wille bewahrt vor nichts
und ein Messer in der Hose fühlt sich niemals falsch an.
Ich komme von ganz unten,
mein Herz trägt die Dunkelheit meiner
Vergangenheit und Zukunft in sich.
Ich bin gekommen, um an deinem Licht zu sterben.

Bevor du das hier gelesen hast,
hab ich dir in die Lippe gebissen
und dich angesteckt.

Der Hoffende in dir
steckt
indem er hofft
noch einen Euro
in den Münzschlitz der Verhängnismaschine.

Ein Gott den man nicht niederstechen kann,
ist kein allmächtiger Gott.

Willst du mir sagen,
dass du immer noch Angst vor Messern hast?
Dein Schwanz hält alles zusammen,
worauf es ankommt.

Der Knoten in deinem Herz hat Angst vor deinem Schwanz.
Stich blind und heiß und ohne Gefühl für Raum und Zeit zu.

Der Rausch der Besinnungslosigkeit
gibt deinem Herz die schöpferische, haltlose Unschuld wieder.

Ich liebe es dich langsam Schritt für Schritt zu verderben
mit meiner Egalität, meiner Unwirklichkeit.
Ich bin kein guter Mensch.
Ich rechne mit allem, deswegen bin ich so glaubwürdig.
Ich hab den großen Überblick.
Ich bin das Nichts, um das dein Leben kreist,
nach dem sich dein Leben verzehrt.
Ich bin das A und das O.
Ich bin ein Element.

Ich existiere in dir nur, weil ich dich liebe,
weil du mich erschaffen hast, weil du weißt,
dass du nicht einfach sterben kannst ohne mich zu erkennen.

Ich bin die Verkörperung all dessen, was dich im Leben hält,
all dessen, was dich zu Grunde richten wird.
Ich kann nicht sterben ohne zu wissen,
was du alles bewirken kannst.
Meine Liebe zum Leben hat dich erschaffen,
du bist ein Element, das den Raum zwischen A und O füllt,
ich bin ein Loch im Dasein,
der Riss in der Existenz,
durch den du geschlichen kamst.


8

Es gibt keine gute Literatur. Alles ist Anmaßung.
Kein Wort kann mehr wiegen als Schweigen.

So wirr wie ich bin,
so unglaubwürdig kann ich dich berühren. Ich leide nicht daran.

Hättest du dir wirklich die Pulsadern aufgeschlitzt,
hätte ich mich zu Tode gelacht;
der Gesichtsausdruck unserer Leichen wäre sehr ähnlich gewesen.

Komm in mein Reich. Erweitere mit mir dein Reich.
Lass uns grauenvoll sein, lass uns antichristlich sein,
lass uns guten Geschmack haben.

Mit all meinem Bösen und Wahnsinnigen
fühl dich geküsst,
mit all meinem Guten und Gesunden
fühl dich umarmt,
mit all meiner Hitze und Kälte
fühl dich geherzt.

Mit all meinem Blühen und Strahlen
fühl dich gefickt,
mit all meiner Euphorie und Verzweiflung
fühl dich beschützt,
mit all meinem Wüten und Irren
fühl dich getragen.

9

Ich kehre meine Knochen zusammen,
während ich die Nachrichten schaue
und Knoblauch-Schnaps trinke und
kehre meine Knochen zusammen.

Es gibt immer einen Plan, der auf und wieder zu geht
und ich denke alles was du mir sagst
und ich hab Angst vor dem was du verschwiegen hast.
Es ist immer so leicht, die Balance zu verlieren.

Morgen kommt der Klempner mit einer riesen Zange
und schaut ob er mir noch helfen kann
mit meiner Romantikmaschine,
die seit Monaten rattert
und krrattert
und schrrattaatatat.

Die Nachbarn haben sich schon
beim Vermieter beschwert.