Das Arbeitstier

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"Berufe dich im Umgang mit gebrochenen Menschen nur auf deinen Ekel, wenn du wirklich nicht mehr weiterwissen solltest.", mahnt eine großväterliche Stimme, mitten im Treppenhaus, zum Glück begegnet mir keiner und die Stadt ist grell, die Luft ist grau, die Menschen maskieren ihre Müdigkeit. Wie schön wäre es, wenn sie die Dinge einfacher nehmen würden als sie sind. Wie schön wäre es, wenn sie langsamer leben würden, heiterer, offener, geduldiger und ohne Scham und Reue - statt sich zu betäuben bis zur Unkenntlichkeit! Wie schön wäre es, wenn die Zeiten ruhiger werden würden und die Menschen erhabener, sensibler, einfacher, stabiler, wenn sie lernen würden, was ihrem Körper am besten tut, wenn sie sich neue Narrative suchen und sich an ihnen entwickeln würden! Wie schön wäre es, wenn jeder an seinem Platz wäre! Wie schön wäre es, gäbe es einen neuen, rauen, frühlingsfrischen Zeitgeist, der alle Linien neu verhandeln, alles umgraben und neugestalten will! Alles was Ihr bisher getan habt, zeugt von einer so krankhaften Angst vor Langeweile, dass ich graue Haare bekommen will. Was werdet Ihr wohl erkennen, wenn Ihr wirklich mit Leib und Seele gelangweilt von allem zur Ruhe kommt und Euch nur auf Euren Herzschlag konzentriert? Euer Selbst löst sich auf, wenn Ihr nicht mehr getreten und herumkommandiert und ausgebeutet und verarscht werdet und Ihr werdet jeder Nation, jeder Bürokratie, jeder Laufbahn entgleiten und Lust bekommen auf Solidarität mit denen, die ebenso abgekommen sind wie Ihr.

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Die meisten Menschen finden nur einen Sinn im Leben, wenn sie arbeiten. Sie erwarten, dass der Staat ihnen Arbeit schafft, weil sie sich selbst keine Arbeit, keinen Lebenssinn finden, erfinden können. Allein dieser riesige, bürokratische Jobcenter-Apparat, all diese überübermäßigen Normen und Regelungen schaffen Arbeitsplätze - nur deshalb gibt es sie überhaupt, nur deshalb wird nichts gegen diese Perversität getan - auch wenn sie so viel Leid erzeugt. Meine Unfähigkeit zu begreifen, warum sich darüber noch niemand totgelacht hat, treibt mich langsam in den hellen Abgrund. Dagegen hisse ich ein altes, doch nimmermüdes Pathos: die verdrängte Langeweile ist die Mutter aller Übel! Erst, wenn man sich mit ihr versöhnt, kann sie das Leben in eine neue Richtung knicken. Habt keine Angst vor ihr: ersetzt sie mit Euren Hoffnungen und geht ganz in ihr auf: Ihr werdet Euch verwandeln - und mit Euch: die ganze Welt.

Die meisten Menschen sind gierige, heiße, ziellose, Gift konsumierende, Gift ausscheidende, sinnlos verwelkende Feiglinge. Sie gammeln vor sich hin und verbreiten überall ihren giftigen Verwesungsgestank - bis der Gestank ausgeht und sich herausstellt, dass er allein ihre Seele zusammengehalten hat, die mit seinem Verschwinden in sich zusammenfällt, ein schwarzes Loch bildet und den Körper einsaugt. Man muss den stinkenden, sterbenden Ochsenmenschen alle Körperöffnungen zustopfen mit scharfem, düsteren, saftigen Humus, jede Hautpore verkleistern mit rotem, gläsernem, scharfem Honig. Aber niemand hat sich seine Organe ausgesucht.

Die meisten Menschen werden zurückbleiben, da ihre Sinnesorgane sich nie richtig ausgeprägt haben oder nicht mehr so sensibel wie früher sind, um feine, komplex wirkende Reize aufzunehmen, sie nehmen die Welt viel hässlicher, öder, uninteressanter wahr als sie ist und sind folglich schnell gelangweilt, frustriert und aggressiv. Aber bemitleidet sie nicht oder versucht ihnen zu helfen. Euer Mitleid würde sie nur beschämen und eher würdet ihr einem Elefanten das Fliegen beibringen als einem Unempfindlichen seine Wahrnehmung zu verfeinern. Geht solchen Menschen besser aus dem Weg. Sie beneiden Eure Gelassenheit und Euren Frohsinn, am liebsten würden sie Euch kaltstellen. Alles was sie von Euch mitbekommen ist ihnen ein Affront gegen ihre flache, gereizte, instabile, stumpfe Glückseligkeit.

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Warum bilden - wie ein Industrie-Vertreter in der Tagesschau behauptet - befristete Abreitsverhältnisse eine Brücke in dauernde Beschäftigung? Ich versteh den Zusammenhang überhaupt nicht, warum werden solche Schlingel so ernst genommen? Ich glaube, man kann mit guten Gesetzen die erwartbaren Nebenwirkungen eines bedingungslosen Grundeinkommens abfedern und so die Menschen zur Ruhe und zu sich kommen lassen - und natürlich darf man sie nicht allein mit sich lassen! Berufsstände ab einem gewissen Einkommen können gänzlich abgeschafft weden, überlassen wir Softwaren die Erstellung gerechter Steuergesetze, übersetzen wir all unsere Institutionen in den Cyberbereich. "Knusprige Enten" heißt der Film, in dem ich violette Laserstrahlen in deine aschgraue, aufgedunsene Fresse pisse. Wenn ich noch einmal deinen Schwanz in meinem Müsli finde, heirate ich deine fette, dumme Schwester und fackel das Haus deiner Eltern ab. Die Stühle, die ich mir auf meinen Kopf fallen lasse, verleihen mir ein Heimatgefühl, ich denke jeden Tag das gleiche. Ich hab Lust Bären zu jagen, zu häuten, noch lebend zu kochen und wenn sie durchgebraten sind, kleinzuhacken und im Klo runterzuspülen, denn ich bin ein echter Amerikaner! Entschuldigung, ich bin ausgerutscht, ich wollte ja eigentlich nur meine dumme Frage stellen: warum führt eine befristete Beschäftigung eher zu einer Festanstellung? Ist es nicht so, dass die Firmen einfach nur Geld sparen, da sie befristeten Arbeitern nicht so viel Lohn wie Festangestellten zahlen muss? - Die ganze Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt ist doch entwürdigend. Sollte eine fortschrittliche Politik nicht eher die Menschen darauf vorbereiten, dass die Maschinen und Softwaren und Internetinstitutionen bald die alten Infrastrukturen revolutionieren und den Menschen als überflüssig im Arbeitsprozess zurücklassen? Bald läuft die Maschine wie geschmiert, der Mensch ist dann der leere Geist, der nutzlos im Getriebe dieser Wohlstandsmaschine sich in Gott verwandelt. Ich könnte Vulkane ausreißen! Nachrichten verwirren mich.