Alles ist so vielleicht wie eine Sprungfeder

Mai, 2013

1

Ich hab eben geträumt, dass mir die Zähne ausgefallen sind. Ich hab sie unter Aufsicht meiner großäugigen Mutter gekaut. Jetzt lauf ich durch die Stadt. Am Straßenrand blühen Eiskaffee-Schirme auf und die Tankstellenwärter reiben sich den Televisions-Sand aus den Augen. Das große Gähnen zieht über die Dächer, treibt die Tauben auf den Jahrmarkt - ich bin unerreichbar müde und hab dich verloren (deine Abwesenheit kombiniert mit meiner Schläfrigkeit ist das Loch, auf welches die Literaturgeschichte seit Jahren hinspart). Die Busse krachen über die Narben der Stadt. Ungehortete Kinder laufen mit dem Rücken voran in den Park, treiben unterwegs ihre Späße mit den Orange-Westen, deren geil rammelnden Maschinen sich ihre Wege zu den Nervenbahnen der alles blockierenden Auto-Fahrer suchen. Die Leute sind alle maskiert mit Stolz und Gesundheit, tragen unauffällige Strahlenschutzanzüge und desinfizieren sich regelmäßig.

Großes Gähnen knetet das große Zappeln der Stadt zusammen, ein göttlicher Motor legt Vibrationen von Gut und Böse ins Abendprogramm, das sich über gierige Antennen seine Wege zu all den Übermüdeten und Unterforderten sucht, ein paar schlecht erzogene Kinder haben Angst davor und wollen allen Antennenzauber kaputt machen, wollen alle Motoren zerstören, denn Motoren haben keine Seele, sie sind bloß Werkzeuge zur absoluten Kontrolle. Lieber sind sie Verstoßene als Verzogene und schmusen sich an die Wärme ihrer Freunde und halten sich wach mit ihrer Lust am Unheimlichen, lassen sich nicht von irgendwelchen Schikanen ernüchtern, lassen sich nicht gängeln von Worten wie Verantwortung, Reinlichkeit, Fleiß, Sparsamkeit.

Push push, das Guarana lässt mein Herz fetter werden, die Traurigkeit in meinem Gehirn entspannt sich unter den ultravioletten Gewalt-Phantasien; ein Loch in die Straße graben gegen Liebeskummer oder die plumpe Kuh, die an deinen Lippen hängt, die Treppe herunterschubsen; meine Besessenheit wird immer ernster und heiterer, es regnet und ich hab immer noch Lust wichtige Termine unwahrzunehmen, ich glaube an eine weiche, unendliche Katastrophe. Ich bin nicht gern verschossen, aber wenn ich es sein muss, dann muss ich auch aus der ganzen Fülle meiner Abirrung schöpfen dürfen. Meine verfassungswidrige Zurechnungsfähigkeit klebt in der Zimmerecke und wartet, bis der Vermieter hereinplatzt oder der Havariedienst. Es ist möglich, immer gute Laune zu haben, wenn man über die Mittel dazu verfügt. Guarana ist besser als Kaffee, Kaffee ist besser als Liebe, Liebe ist besser als gar kein Schmerz, gar kein Schmerz ist besser als Folter und Giftgasangriffe und Hunger und Hinrichtungen. Ich will mich vergraben in warmer Sommererde, ich richte meine leicht durchschaubaren Imperative in den verwunschenen Garten hinter deinen Augen. Die Zweifel an allem, was man von zwischenmenschlichen Beziehungen erwarten kann, leben wie schwarze, hungrige Vögel im Käfig unter meinem Bett: wieviel Blumenkästen muss ich aus dem Fenster werfen, wieoft muss ich dir auf die Füße treten, wiesehr muss ich mein Gesicht zusammenkneifen, wielang brauchst du, bis du verstehst, dass du der Unstern bist, um den sich meine Sentimentalität dreht? Ich muss den Glaube kaputtmachen, dass mich die Unerreichbarkeit deiner Lippen mehr verletzt als die Unmöglichkeit einer sozialistischen Revolution: welches Mittel wäre dafür geeignet? Was könnte mich derart runterfahren?

2

Von all den Berufen, die ich niemals machen könnte, ohne psychischen Schaden davonzutragen, ist Kassierin wohl der schlimmste. Mehr noch als ein Polizist oder ein Arzt oder ein Anwalt blickt die Kassiererin in den Abgrund der Welt. Lieber stiege ich in Kanalisationen oder in Krebsstationen herum als in irgendeinem Supermarkt hinter der Kasse zu sitzen und den eklhaftesten, abgestumpftesten Menschen der ganzen Welt ihre Fress- und Sauf- und Spaß- und Reinigungswaren über den Scanner zu ziehen und ihnen noch einen schönen Tag zu wünschen.
(Mein Ekel kommt aus den Tiefen meines Körpers, er ist quasi authentischer, "älter" als meine Sprache und mein Ichgefühl - ich kann ihn nicht hinterfragen, so wie ich Schmerz und Liebe nicht hinterfragen kann. Er will mich beschützen.)

Was für eine übermenschliche Leistung vollbringt die Kassiererin, was für Strapazen, was für Missmut, was für Niedertracht muss sie jeden Tag ertragen! Meine Unfähigkeit, eine konzentrierte, genaue, brutale Beleidigung zu verfassen, die meinem Ekel gerecht wird und den Himmel über ganz Erfurt verfinstern würde, wenn ich sie auf dem Marktplatz herausposaunen würde, fordert mich zu einer uneingeschränkten Solidarität mit allen Amokläufern, Tyrannen und Untergangs-Propheten auf.
Die Gesellschaft verfinstert sich, die Menschen sind auf so aggressive, selbstherrliche Art und Weise stumpf! Was müssen sie an ihrer Arbeit, ihren Beziehungen, ihrem Alltag leiden!

Wenn die sogenannten Verhältnisse bleiben wie sie sind, werden die Menschen in ein paar Tagen so dermaßen ausgemergelt, entleert und frustbockig sein, dass sie nur noch von der Großen Bombe oder dem Goldenen Schuss träumen können.

3

Ich stehe zur Abenddämmerung auf, mache mir Kaffee und schaue mir ein Livevideo von Peter Brötzmann an. Unglaubliche Energie. So befreiend wie ein Sturz aus dem Fenster.

Nebenbei arbeite ich an diesem Buch, das mir wie ein Arsenal an formlosen Obsessionen, ersehnten Schandtaten, bleiernen Enttäuschungen erscheint; es in eine lesbare Form bringen bedeutet, mein Bewusstseinsfleisch zu pökeln, zu braten und zum Abkühlen an ein Fenster zu stellen. Der bodenlose Wunsch, verstanden zu werden, macht mich müde. (Ich habe eine Ahnung, wie ich ihn loswerde.)

Die Vitalität von Brötzmann kommt mir plötzlich so einseitig vor. Als wenn er sich nur lustig machen will über erloschene Menschen. Es lohnt sich nicht, euphorisch zu sein, wenn man kein Künstler ist. Die Euphorie als Lebensäußerung steuert notwendigerweise auf die Katastrophe einer Ernüchterung zu, die man zwar überlebt, aber an diesem Überleben zu Grunde geht. Dieser sprudelnde, vitale Free Jazz verzerrt mein Selbstgefühl mit einem Presslufthammer, gaukelt mir Emotionen vor, mit denen sich im Alltag niemals etwas anfangen lässt. Die Tatsache, dass nach einem Free-Jazz-Konzert niemand dem Wahnsinn verfällt oder wenigstens seinen Job kündigen will und auch kündigt, beweist, dass der Free Jazz, dass die gesamte freie, improvisierte Musik mit ihrem gesellschaftlichen Anspruch gescheitert ist. Während sich mein ganzes Buch in einen bösen Clown verwandelt, der sich von hinten an mich ranschleicht, stelle ich mir vor, wie ein nihilistischer, lustloser, bleierner Free Jazz klingen könnte. Die Musiker dürfen nichts können, dürfen keine Lust haben, müssen sich unwohl fühlen, während sie stupide und beschämt und immer weiter, immer weiter auf den Instrumenten herumhacken. Sie sollen das Publikum anstecken mit einer zum leeren Himmel schreienden Verdrießlichkeit. Jemand versucht ein Kinderlied auf dem Klavier zu spielen und kann es nicht, dann bricht ein entsetzlicher Krach hervor, ein Musiker legt sich auf den Boden, ohne zu spielen. Der Frust auf und vor der Bühne nimmt ein immer bedrohlicheres Ausmaß an. Was für ein gewaltiger, überdrehter Murks! ... wird immer weitergetrieben, alles muss so intensiv sein, dass man nach dem Konzert nicht mehr in der Lage ist, über Gott, Wahrheit, Liebe, Arbeit, Tod zu reden. Die Musik muss im Zuhörer das Unbehagen, die Unlust schüren, die er schon in sich hatte, bevor er das Konzert besucht hat. Er soll den Mut gewinnen, sich hart und herzlich gegen alles zu wehren, was ihn in seinem Leben bedrückt, ermüdet, beunruhigt. Der Mensch muss erst zum Äußersten getrieben werden, damit er die Konsequenzen aus seiner stärksten Lust und seinem stärksten Ekel zieht. Die Kunst leisten ihren Beitrag dazu. Mittelmäßige, harmonische Kunst nach einem bekannten Schema kann maximal dafür sorgen, dass die Menschen sich mit ihrem Elend arrangieren, dass sie ihre Qualen erdulden, dass sie ihre Ängste herunterschlucken, dass sie ihr tristes, stumpfsinniges Dasein mit Schönheit und Lustigkeit dekorieren können oder die süße, blöde Illusion gewinnen, dass sie ihr Schicksal in der Hand haben.

4

Süchtig nach den üblichen Müdigkeiten, an Fettsinn stumpfgefressen, verstopft von grau-blinkendem Überdruss, verschlingen von Studienordnung und Alkohol verwüstete Hipster alles, was ihnen in die Quere kommt - und Freund und Feind sind ihnen nur eins: fressbar. Sie fressen selbst ihre Gesänge und Dichtungen und Gemälde und ich stehe daneben und popele in der Nase und fühle mich von allen Kunstwerken im Stich gelassen und in meinen Träumen stecke ich über meinen Augen angebrachte, beliebig weit ausfahrbare Antennen in den grauen Horizont und das Internet wird sekündlich größer und der Einzelne unbedeutender und ich verliere die Lust, mich an der Angst vor sozialem Abstieg aufzurichten und flüstere unsichtbar und ungehört in die gesichtslose Masse unter meinem Fenster: "Ihr arbeitet für Geld, um euch Dinge leisten zu können, die euch davor bewahren sollen, durchzudrehen. Ihr wollt nicht versagen, aber glaubt immer weniger, dass ihr es irgendwann nochmal zu etwas bringen werdet. Ihr müsst euch arrangieren mit eurer Überflüssigkeit und am Ende könnt ihr froh sein, wenn es nicht weh tut, was euch langsam um eure Lebensqualität bringen wird. Ihr seid fest eingeschossen auf eure Bahn, es ist viel zu spät um wieder umzudrehen, nichts gibt es mehr zu gewinnen und alles zu verlieren und wir, eure Kinder, verschwenden nicht länger unsere Zeit und Kraft für Mitleid mit euch. Ihr seht uns an und wundert euch über unsre Arroganz, unsere Aggression und unsere Gleichgültigkeit, aber ihr, unterdrückt von einem verderblichen Geschmack, habt uns nichts mehr zu sagen, ihr habt uns nichts mehr zu geben - wann hattet ihr uns je wirklich etwas zu sagen und zu wirklich etwas zu geben? Wer ständig vorzieht was ihm schädlich ist, kann uns nichts beibringen. Ihr seid matt und hilflos und voller Angst und Scham und habt nichtmal in euren Träumen Hieb- und Stichwaffen versteckt. Das letzte bisschen Gier und Fanatismus leitet ihr in die Konsummaschine, krampfhaft versucht ihr ein bisschen Spaß aus eurem Leben zu quetschen. Wenn wir sagen, dass ihr hässlich dabei ausseht und dass diese Hässlichkeit Symptom einer Krankheit ist, wollt ihr einfach nichts davon wissen. Ihr kommt nicht von euch los, weil jeder so aussieht wie ihr und ihr könnt eure Probleme nicht wirklich lösen, weil jeder diese Probleme hat und scheinbar klarkommt damit oder einfach schwächer ist als ihr. Ihr habt euch in einer traurigen Sackgasse verrammelt und wir fahren euch wild hupend mit einem weihnachtslich erleuchteten Lastkraftwagen hinterher, um unseren fröhlichen Zorn ein für Allemal in euren Knochen zu verewigen."

5

Hin- und hergerissen zwischen Leben und Tod, gehetzt von widersprüchlichen Fakten, Ängsten und Lüsten, sediert von einem starken Tee aus Wahn und Langeweile. Keinen Grund etwas zu bekennen. Alles in der Schwebe. Eine Missverständnismaschine. Ein hysterischer Blitz und ein düsteres Donnergrollen. Niedergedrückt von einer immer intensiver werdenden Spannung. Glühende Schlaflosigkeit. Das Herz ist eine Axt und richtet sich gegen den Mond und gegen sich selbst. Ein Leben vollgestopft mit Müdigkeit, Stumpfsinn, Perversion. Die Unfähigkeit irgendeine Frage zu beantworten. Die Angst davor, sich auf sich selbst zu besinnen. Alle Worte wie Regentropfen am Fenster der Realität - und Schweigsamkeit kommt wie ein Vorschlaghammer dagegengeflogen. Keine Erinnerung mehr was es bedeutet, man selbst zu sein. Alle Organe gesättigt, keine Lust irgendetwas an sich oder der Welt zu verändern. - Die Gewissheit, ganz unten, am Bodensatz der Existenz angekommen zu sein. Absolutes, unerschütterliches Selbstbewusstsein: die Kälte, die Verlassenheit, die Nutzlosigkeit, die Anspannung hinter dem Gesicht, die drohende Eskalation des Zentralnervensystems, die Lust Häuser anzuzünden oder Menschen das Gesicht mit einem Vorschlaghammer zu verwüsten -> das alles verdichtet zu einem Samenkorn ist alles, was ich bekennen kann. Warme Regentropfen fallen vom Himmel, Erinnerung an die Kindergartenzeit, ein liebes Gesicht und meine Unfähigkeit dieses Gesicht zu erwidern. Ein großes, kaltes Zimmer. Auf nichts wartend auf einen toten Bonsai starren und immer noch nichts bereuen können. Das Ende der Fahnenstange im Rachen und versuchen zu schlucken. Würgen und grunzen und den Kopf an der Wand aufschlagen. Jedem Menschen in die Nase beißen, der helfen möchte. Die Unfähigkeit zu Weinen bis zum Äußersten getrieben, dort wo Gott wartet mit einer Bratwurst in der Hand. Schmerz- und sorgenfrei auf einer Hängematte liegend und frische Meeresluft atmend planen, sich in einer Stunde ohne weiter darüber nachzudenken zu töten. Bedrückt vom Großstadttreiben ein Loch in den Boden graben und eine alte Fliegerbombe finden und niemandem etwas sagen. Mit Freunden in der Kneipe sitzen und ahnen, was gleich passieren wird, während man so tut, als würde man die Gedanken, die man von seinen Freunden aufgetischt bekommt, rational oder emotional abwägen. Worte sind nur brauchbar, wenn sie sich über sich selbst erheben. Die Möglichkeit sich zu entkrampfen, indem man allem glaubt, alles bejaht, was man nicht verstehst und immer tiefer sich ins allgemeine Unverständnis bohrt. - Ich liebe dich.

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Wesentlichkeit am Arsch!  - Irgendwo ist grad ein Haus eingestürzt, darin saßen Menschen, die an dich gedacht haben. Du musst nicht davon ausgehen, dass dies irgendwelche Konsequenzen für dich haben wird. Gehst du von etwas aus, so kommst du niemals darüber hinaus.Jedes philosophische System, jede philosophische Richtung ist als nichts anderes als ein Witz gemeint. Eine Lustigkeit. Etwas worüber man lachen kann, etwas was man nicht versteht, wenn man es ernst abnickt. Gehst du von etwas aus, kommst du nie darüber hinaus. Wer die Wahrheit, das Wesen einer Sache sucht, darf niemals von irgendeiner Wesentlichkeit ausgehen; etwas ist niemals in sich selbst begründet, weil etwas nur mit Worten begründet werden kann, aber nichts aus Worten besteht. Wenn du wissen willst, warum du lebst, darfst du nicht davon ausgehen, dass du lebst. Wenn du wissen willst, woran du sterben wirst, darfst du nicht davon ausgehen, dass du sterben wirst. Wenn du wissen willst, wohin es geht, darfst du nicht davon ausgehen, dass du es überhaupt wissen willst. Wenn du wissen willst, wer deine Freunde sind, darfst du nicht davon ausgehen, dass der Mensch etwas wie Freundschaft empfinden kann. Wenn du wissen willst, wer du bist, darfst du nicht davon ausgehen, dass dir das Wissen darüber irgendetwas nützt. Wenn du wissen willst, was dir ein gegenwärtiges Unwohlsein nutzen soll, darfst du nicht davon ausgehen, dass dir unwohl ist. Wenn du etwas zu Ende lesen willst, darfst du nicht davon ausgehen, dass du überhaupt liest. Wenn deine Schuhe drücken, darfst du nicht davon ausgehen, dass du Füße hast. Wenn du betrunken bist, darfst du nicht davon ausgehen, dass du etwas getrunken hast. Wenn du verliebt bist, darfst du nicht davon ausgehen, dass deine Geschlechtsteile ein Eigenleben haben. Wenn deine Hände von Blut beschmiert sind, darfst du nicht davon ausgehen, dass es deine Hände sind. Wenn du mit einem Menschen gerade ein Date hast, darfst du nicht davon ausgehen, dass der Mensch auch ein Date mit dir hat. Wenn jede Bewegung reinste Gewalt ist gegen alles, was nicht ihre Ursache ist, darfst du nicht davon ausgehen, dass es etwas gibt, was nicht Ursache einer Bewegung wäre und dass das Wort „Gewalt“ irgendeine (z.B.moralische) Relevanz hat. Wenn du dich für ein bestimmtes Loch in einer Person interessierst, darfst du nicht davon ausgehen, dass es überhaupt Löcher in einer Person gibt (vielleicht ist alles, was dir nicht als Loch an einer Person erscheint, das eigentliche Loch). Wenn du vor etwas Angst hast, darfst du nicht davon ausgehen, dass deine Angst einen Ursprung hat. Wenn deine Mama dir einen lecker lecker Kuchen bäckt, dann darfst du nicht davon ausgehen, dass sie davon ausgeht, dass du davon ausgehst, dass du von nichts ausgehen darfst. Wenn du von etwas ausgehst, bist du schon Sklave deiner Trägheit.

Selbstbetrachtung des Autors.  - Du sitzt da und spitzt deinen Bleistift, willst etwas gutes schreiben, aber du bist zu wach dazu. Jeder Satz in deinem Kopf scheint dir zu banal. Du steckst im Hier und Jetzt fest und stehst doch darüber, du weißt, dass es hier nichts zu holen gibt, schaust alles mit einem müden, ironischen Grinsen an und dir pumpt ein Lied in den Ohren, dass du nicht wirklich magst, auch wenn es nicht wirklich schlecht ist. - Zurück zu dir, lieber Leser: dein Blick geht von deiner Gegenwart in deine Vergangenheit zurück, in deine Schulzeit, es ist Sommer, die Sonne scheint, du läufst allein über ein Feld, den Schulranzen auf den Schultern, du willst nichts verstehen, sondern die Wunder der Welt genießen, bis du unsterblich wirst.

Je t'aime.  - Mein Gehirn ist fünf Stiere, mein Herz ist ein schwuler Junge, mein Schwanz ein Fragezeichen, mein Gesicht ein alter Witz den keiner versteht und meine Füße stinken und ich kann nichts dagegen tun, ich hab sie von meinem Vater geerbt, alle Leute in die ich mich bisher verliebt habe, haben wegen dem Gestank meiner Füße gekotzt oder konnten es gerade so unterdrücken. Manchmal merke ich gar nicht, wie sehr meine Füße stinken und manchmal muss ich selbst fast kotzen. Oh, wie sie stinken! Ich kann niemandem was vormachen - und am anderen Ende der Leitung steht ein Junge mit großen Lippen, einem Stinkefinger-Herz und einem Fragezeichen-Arsch und ich kann die Distanz nicht überwinden, ich werde ihn niemals küssen - und vielleicht ist es etwas anderes als Liebe, ich weiß es nicht und ich finde keine Musik, die mir das Gefühl gibt, dass es nicht so schlimm ist, das nicht zu wissen. Was wird der Schmerz all meiner Unsicherheiten noch alles mit mir anstellen? - Ich will die Dinge in meinem Zimmer berühren, aber sie wirken als würden sie mir nur Vertrautheit vorheucheln - ihr tiefes, perverses Nichts, ihren schadenfreudigen Tod verstecken. Es sind alles taube Gegenstände, sie spüren meine Bewegungen, aber hören und sehen mich nicht. Meine Stimme gehört mir nicht. Wenn ich auf Zehenspitzen herumlaufe, erscheine ich ihnen wie ein schlechter Schauspieler, der seinen Namen vergessen hat.

7

Wollen wir weiterhin unsere höchsten Hoffnungen an den Alkohol verscherbeln? Für wen leben wir? Wie lange können wir noch ein Schauspiel vorführen? Soll uns weiter die gierige Gleichgültigkeit ins Auge unserer Sehnsucht hacken? Dürfen uns friedfertige Parteigeier weiterhin ungestraft ihre Sonderangebote unterbreiten? Sollen wir den Goldenen Mittelweg aus Mangel an Lust zum Lebenssinn ernennen? Sollen wir unsere Gier mit übermenschlichem Lärm kaputt machen? - Ach, sollen sie uns doch alle ficken! Abschlachten! Es ist alles so dermaßen schlimm geworden! Wir existieren, wir existieren wirklich! Schwer zu beweisen, ich weiß! Komm her! Irgendwie! Ich will mich drehen.... Gedankenlockernde, infantile Nacktheit will das Sonnenlicht zum Flackern bringen. Der Beste von uns hält seinen Penis in den Abgrund des Daseins und wichst und entschuldigt sich nicht für dieses Pathos und wird so unsterblich. Erinnerungen verschwenden, Vergangenheiten ausräuchern, Präsidenten erschießen, Feuer spucken, zur Besinnung kommen, alles in Bewegung sehen, das Herz fühlen wie es pumpt, wie es geil geworden vom infernalischem Spuk der Hintergedanken neues, frisches, buntes Blut durch den Körper sprudelt. Überfluss an Lebenskraft. Große Feste. Rausch. Wanderungen. Unaufhörliche Steigerung. Wendungen, Brüche, keine Heimat in Idealen oder anderen Bequemlichkeiten. - Göttliche Verausgabung.

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Ihr fröstelt und es wird immer kälter, ihr schaut mich an, als könntet ihr ohne meine Hilfe nicht entscheiden, was ihr wollt. Nun gut, hört mir also zu, ein letztes Mal: bohrt eure Zeigefinger tief in euren Rachen, wenn euch die kalte Nacht zu erdrücken versucht, eure Kotze wird der Dunkelheit eine erotische Schamesröte ins Gesicht kleckern. Und wenn ihr auf der Langeweile reitet und sie fickt und den wilden Irrsinn, der euch vernichten will, zurück in eure ausgeleierten Träume stopft, dann seid ihr alle endlich soweit, um - Haltet alle eure Fotzen, ich komm nicht raus! Ich komm nicht raus.! Ich krall mich an meinen Schwanz und ihr könnt glotzen wie ihr wollt, ihr könnt Kopfschmerzen haben wie ihr wollt, ich komm nicht raus! Niemals! Ich würde euch am liebsten alle umbringen. Ich will keine Gründe dafür abgeben. Hier gibt es keine Geschichte, hier gibt es keine Lösung, hier gibt es nur zusammengenähte Fetzen meiner Krämpfe. Ich Plass-Ticke, denn versteigern wollen sie alle Wiederholungen nur Wiederholungen und vernichten wollen heute wir die Plastik-Fleische, ungenießbare Götter, vergiftet Geduld die auf ihren Sockeln verherrlicht wird, - wie auch nimmer mehr!! Und sie nennen uns den neusten Preis und wir sind schneller - zum Verhängnis wollen wir ihnen werden, WIR ALLE und wir zer-pfl-üc-k-e-n i-hre-n G-lüc-kw-uns-ch-Brei u-nd Ta- del-Sala-t, jagen herab, „Wir lassen uns das nicht gefallen“, so sprechen sie (wie zu allen Zeiten) und sie hatten Recht Recht Recht ----------------wir müssen wieder in die Fabrik zurück, übergeile Verstopfung sie erleidet mehr und immer mehr immer immer mehr mehr mehr Schulterzucklein und mehr mehr mehr in sie gerammt gerammt gerammt, Wort verklebt von seltsamem Gehirnmomentefett in blau rasiert radiert, verschmelzen im Tagesschau-Geröll. -----> hier endlich auf die Schrottpresse warten wir. Wir warten auf die Schrottpresse dass sie zuschnappt. Wir zippeln beschlungmu. Pottwal! LIES DAS TAUSENDMAL! Ich will dich festbinden und verdursten sehen, während hinter dir die Sonne aufgeht. Ich werde Gott werden! Alles was ich fühle, ist die superabsoluteste Wahrheit. Jede andere Wahrheit prallt in ihrer bloßen Absolutheit daran ab und ich bekomme noch mehr Lebenspunkte. Ich schaue meine Augen im Spiegel an und gleich flippe ich aus.

9

Unter meinem Bett ist der Eingang zum Universum. - Wenn man nicht weiß, wer man ist und was man irgendwo soll, wenn man einsam ist, abartig, monströs, schwächlich, halbtot, voller Reue und Verwirrung, ist man gut beraten einen Autoren zu suchen, der sich wie ein alter weiser verlebter Blues-Neger fühlt, der in der Lage ist, einen zu motivieren, das Gehirn zu spalten, man muss es kaputt machen, einen Riss hinein tun und sich richtig in den Riss reinsteigern, muss mit widerlichem Gesichtsausdruck reinpissen, während man sich am Arschloch herumfummelt. Das ist das Geheimnis. Wenn du weiterkommen willst, musst du weiterkommen. Wie? (Hä? Du lässt dir einreden, dass du „wie“ fragst?) Es ist ganz einfach: Free Jazz hören, eine Überdosis Koffein verdrücken und einfach nur zittern, richtig und vollständig zittern und alles denken was möglich und unmöglich ist und damit das Ich entthronen. Ein Ich ist immer auf Stabilität und Kontinuität angewiesen, wie ein Strauß auf seine Flugunfähigkeit. Ich sitze mit meinem dunklen Mondgesicht im Schatten eines Hauseingangs und hantiere mit einem Messer an meinen Daumen herum, um meine Arbeitsunfähigkeit weiter festzuschrauben - und auch im Free Jazz, zumindest in diesem hier, geht es darum, das Taumeln, die Ungewissheit, die Skepsis, die Euphorie, den Surrealismus, den entgrenzenden Rausch zu festigen, in deine Marmor-Stirn zu meißeln, damit jeder sieht, zu welchen Abscheulichkeiten das Krematorium deines Bewusstseins fähig ist und entsetzt eine gesunde Distanz zu dir aufbaut. "Aber wollen Sie nicht mit erhobenem Haupt Ihren Dienst an der Gesellschaft tun?" Nein, ich werde mit zerfasertem Hirn meinen Dienst an der Rückseite der Menschheit tun. "Zum Teufel nochmal!" Indem ich das Bewusstsein der Menschen, die von der Gesellschaft immer kälter und dunkler und einsamer und unempfindlicher gemacht werden, massiere und errege und befreie von irgendwelchen festen Strukturen, von Ehrfurcht, vom Wunsch das Selbstbild ins System zu fügen. Die Menschen müssen wenigstens im Notfall (er wird bestimmt bald kommen!?!) in der Lage sein, loszulassen. LOS. LOS. Der Staat ist eine Seifenkiste und rast bergab auf eine Mauer zu. Sag nein zu Kontrolle! Manipuliere die Sender! Das Schiff sinkt! Ich bin nur ein Rattenprediger. Das Leben lohnt sich.