Blasphemie in der Gartenlaube



Es gibt eine Kirche,
in der die Langeweile im Tutu tanzt,

die Kirche des wirren Glücks.

1

Ich will dir etwas erzählen über Gott: Gott ist einsam und kann sich nicht mit sich allein beschäftigen; er benutzt die Menschen, um sich bei Laune zu halten, er benutzt alles was existiert, als Kaugummi. Er weiß genau, was ich für ein Lump bin. Er weiß, dass mein Eifer gegen ihn heftiger wird und wenn ich ihm nicht zuvorkomme, wird er mich bald fürchterlich abstoßen.

Gott ist ein Spieler, er hat Langeweile, er hat seinen Spaß mit uns - das ist sein Begriff von Liebe. Ich will nicht länger jemandem vertrauen, der sich von meiner Angst ernährt, lieber vertraue ich meinem Misstrauen, das sich von der strahlenden Gesundheit meiner Eingeweide ernährt.

Gott gab den Menschen einen freien Willen und er schaut zu, wie alles nach Plan verläuft. Als Allwissender weiß er, wie jeder bis zum Tod gehandelt haben wird. Wir haben die Pflicht, dankbar zu sein, denn wir sind frei und können auch undankbar sein, ist das nicht ein Wunder? Verschwinde für immer hinter den kalten Mauern einer Kirche. Dort findest du alles Menschen, die es nötig haben, für die Unbegreiflichkeit des Universums ein höheres, all-umfassendes, allmächtiges Lebewesen verantwortlich zu machen, sie schieben Gott den Schwarzen Peter zu und vielleicht können sie dich überzeugen, dass du - völlig egal wer du bist - Gott nötig hast und dass du ihn auch findest, wenn du leidenschaftlich (verkrampft & geplagt) suchst.

Gott spricht nicht durch die Bibel. In der Bibel sprechen Menschen von Gott. Religion ist zementierte Spiritualität. Während der Geist ständig in Bewegung ist, wollen unbewegliche Gläubige an einer absoluten Wahrheit festhalten, um ein Gefühl von Sicherheit und Identität zu bekommen. GOTT ist ein transsexueller, bisexueller Trunkenbold und ein wilder Tänzer und lacht über alle, die ihn benutzen wollen, um ihre fadenscheinige Biologie als Maß aller Dinge zu behaupten. 

Aber Gott kann nicht wissen, ob es eine Instanz über ihm gibt. Und hat er je daran gezweifelt, dass er allmächtig ist? Hat er sich je gefragt, ob er tatsächlich die Macht hat zu erkennen, dass es nichts über ihm gibt? Gott muss insgeheim vermuten, dass es mehr gibt als er erkennen und erschaffen kann, denn ein Gott, der nicht alles bezweifeln kann, ist nicht allmächtig.

Die Selbstsicherheit Gottes beflügelt unsere banalsten Kleinlichkeiten. Wir wissen, dass der Grenzenlose sich selbst nicht hinterfragt: warum sollten wir es tun? Vielleicht weiß Gott bloß nicht, dass er nicht allwissend ist: warum sollten wir Sterblichen uns dann nicht auf unserem ewigen Nichtwissen ausruhen?

Alles was wir sind und erleben, hat im Gehirn seinen Ursprung und Zentrum. Hinter dem Gehirn kommt nichts mehr, bloß noch der Schädelknochen. Deshalb lohnt es sich nicht, über ein Leben nach dem Tod nachzudenken.

Nur Gott hat einen Körper, der im Absoluten überleben kann. Wenn meine Gedanken in ihn stürzen, bildet meine Stirn seine Peripherie.

Die Ewigkeit eines Gottes, der uns unter bestimmten Bedingungen ewiges Leben gewährt, ist heute endlich nicht mehr als eine Karikatur unserer Todesangst.

Gott ist die Idee eines schwindelfreien Schwindelerregers, für dessen ewige Liebe jeder gemacht ist.

Gott hat mit Marquis de Sade Selbstmord begangen und wurde von Friedrich Nietzsche beerdigt und Emil M. Cioran hat noch den ganzen Friedhof verwüstet. Doch Gott lebt weiter, in seinen Kindern - in seinen Kindern und Kindeskindern. Wir werden sie kriegen und in unserem Keller einsperren und uns lustvoll an ihnen vergehen und sie foltern und verstümmeln, damit sie wissen, dass wir sie nicht in unserer Nachbarschaft dulden. Sie sollen niemandem mehr auf den Geist gehen!

Das Leben eines an Gott Glaubenden ist nicht „erfüllt dank Gott“, sondern überfüllt von Gott. Was er als Erfüllung empfindet, ist Druck.

Ich freue mich auf den Moment an dem ich schreien will: "Oh Gott, in was für eine Richtung hat sich mein Leben bewegt?", denn ab da wird alles ganz, ganz einfach.

Gott ist ein pubertierendes Miststück - und tut bloß so, als wär's der Liebe fähig und würdig.

Wenn Gott die Menschen lieben würde, würde er mit ihnen die Naturgesetze neu verhandeln.

Ob dich Gott berührt oder kalt lässt sagt nichts über seine Existenz aus.

Es ist reine Bosheit, wenn man dem Teufel unterstellt, er will alle Menschen ins Verderben führen. Der Teufel ist nicht so geschmacklos und gierig wie Gott. Die Hölle ist elitär.

Gott und Teufel sind zänkische Geschwister, die ihrem Vater nacheifern.

Gott ist das Verdauungsendprodukt des Todes. Liebe ist das Verdauungsendprodukt der Hoffnungslosigkeit.

Jeder Gott, der fürchten macht, gehört in den Papierkorb. Es ist völlig pervers, für so einen Gott auch nur einen Finger krumm zu machen.

Du bist nicht mehr dafür geeignet, einem Gott zu gehorchen oder auch nur im Geringsten zu trauen. Vielleicht weißt du es noch nicht.

Ein Heilsversprechen sitzt wie ein fetter, dunkler Engel auf mir drauf und ich möchte mein Gehirn mit Free Jazz in Guten-Morgen-Müsli verwandeln.

Unser Gott ist nicht mehr als Ausdruck unseres Begehrens nach ihm. - Je mehr man das Paradies nötig hat, desto wirklicher erscheint es. - Gott sehen und von ihm gesehen werden - die Sehnsucht aller mit sich selbst pathologisch Unzufriedenen. - Die christliche Askese ist die Einübung des ewigen, paradiesischen Hungers (im Nichts).

Gott kann nicht das Selbe wie ich durchmachen. Mein Leid kann NIEMALS seines sein: also Ruhe da oben!

2

Vielleicht spüre ich Gott in meinem Herzen, aber hasse ihn dafür?
Könnte ein liebender Gott mich geschaffen haben, damit ich meine Lust unterdrücke, die er auch geschaffen hat? Wozu? Um zu beweisen, dass ich ihn mehr liebe als das, was er geschaffen hat? Ein Ich ist nur möglich, wenn es sich abgrenzen kann, und es kann sich nur mittels Lust- und Schmerzempfindungen abgrenzen.

Man soll nicht einfach alle Kirchen verbrennen, bevor man nicht eine Ersatzinstitution geschaffen hat. Ein Ersatzziel, ein Ersatzweltbild, Ersatzantworten, Ersatzrituale. Die Kirche hat auf gute Fragen schlecht geantwortet. Nur weil wir die Antworten als schädlich für uns erkannt haben, dürfen wir die Fragen nicht als unwichtig erachten.

Theologen: Menschen, die Gott in der Bibliothek getroffen haben und ihre Zeit damit vertreiben, den religiösen Humbug, an den Bauern, Dorftrottel, Soldaten und Krebspatienten glauben wollen, intellektuell aufzublasen. Sie machen eine Wissenschaft aus einer fiktiven Erzählung und leiten daraus ab, wie man zu leben hat, so wie Nerds eine Wissenschaft aus „Herr der Ringe“ machen.

Der Gesichtsausdruck eines Babys bei der Taufe - wie ein gefoltertes Tier, Schrecken, Schmerz, Verwirrung. Lächelnde Verwandtschaft, Nucki in den Mund. Warmherzige Geistliche spenden Liebe. Gewissen, Tradition, Aura, sozialer Status, Sehnsüchte über die Grenzen der Wirklichkeit hinweg. Not, Tugend, kalte Musik. Man muss ihnen das weiche Grinsen aus dem Gesicht schneiden. Warum lassen wir sie noch frei herumlaufen?

„Ich glaube an Gott, weil er sinnstiftend ist. Alles was Sinn macht, ist Wert, geglaubt zu werden. Eine bloße Einbildung kann nicht sinnstiftend sein.“ - Genau so fängt es an und damit hört es auch auf.

Eine Einbildung ist dazu da, Sinn zu stiften. - Wie man es dreht und wendet, jede Religion ist nicht mehr als eine Sekte, eine esoterische Institution. Ein Priester wirkt auf mich ganz genau so absurd wie Thomas Hornauer in seinen Kanal-Telemedial-Sendungen ( - wenn seine Arbeit überhaupt einen Wert für unsere Gesellschaft hat, dann den, realsatirisch die Mechanismen jeder Art von Religion bloßzustellen als Werkzeug, mit dem man Menschen kontrollieren und ausbeuten kann).

Ein erfülltes spirituelles Leben ist erst möglich, wenn man Gott für genau so real hält und folglich genau so ernst nimmt wie die Figuren aus Harry Potter, Star Wars oder den Simpsons. Gott ist eine Idee, er begleitet mich, er unterstützt mich, genau wie Dracula und Zarathustra und Pumuckel. Erst wenn man sich der Fiktivität Gottes bewusst wird, kann man richtig spirituell sein - und endlich fromm werden.

Das Wissen darum, dass Gott nur eine Erfindung des Menschen ist, steht einem religiösen Leben genau so wenig im Weg wie einem Liebenden Erkenntnisse auf dem Gebiet der Neurobiologie. Man ist erst von der Bürde einer Religion befreit, wenn man leichten, brennenden, fröhlichen Herzens sich von Gott und all seinen Institutionen lossagen kann, wenn man alle Dogmen, alle Erfüllungsideologien, alle metaphysischen Hoffnungen in einem infantilen Lachen von sich abschüttelt. Man wird Gott nur mit viel Liebe, Zärtlichkeit, Langsamkeit, Lustigkeit und Entspannung los, und dann erst ist das Herz empfindlich genug für das Göttliche.

Dass sich eine Religion durchsetzen konnte, sagt nichts über ihre Berechtigung aus. Vieles an unserer heutigen Welt ist schlecht, weil sich eben das Schlechte durchgesetzt hat - es gab einfach nicht genügend Druck gegen dieses Schlechte. Ein bedrückend-stumpfsinniges Ballermann-Gute-Laune-Lied setzt sich gegen so unglaublich viel feinsinnige, virtuose, gehaltvolle Musik durch! Man könnte Jesus dafür bewundern, dass er Wasser in Wein verwandelt hat, aber das wirkliche Wunder ist, wie man mit so unglaublich kranker, dummer, perverser Musik so unglaublich viel und regelmäßig und schamlos Geld machen kann. - Wer keine Lust hat, alles Erfolgreiche in den Dreck zu ziehen, der sollte gar nicht erst den Mund aufmachen, wenn es um Gott geht - und erst recht nicht, wenn es um Musikgeschmack geht.

Gott hat mir immer Angst gemacht. Ich habe in den letzten Jahren Gott in den Schlachthof meiner Koffeinsucht deportiert, um ihn dort zu zerstückeln - und dann nach unten zu transportieren ins Krematorium meines Ekels.

Die letzten Götter beginnen zu stolpern und wir stolpern über ihr Stolpern und sie stolpern wiederum über unser Stolpern und damit wäre es dann endgültig erledigt.