Überdruck

1

Grauer Himmel über schwüler Stadt, ein trockner Donnerstag, fühlt sich wie Sonntag an, etwas zu viel Kaffee getrunken. Bäh, ich kann nichts dagegen tun, ich habe einen ganz ganz üblen Körpergeruch, niemand kann mir helfen, und egal womit ich ihn überdecke, er kommt immer wieder durch. Mein Gestank (den ich mir nicht ausgesucht habe, wie auch mein Gesicht nicht) isoliert mich von allen die ich gern habe, vielleicht denken sie, ich habe eine Krankheit oder ich bin im tiefsten Inneren verdorben. Eine elektrische Müdigkeit in meinem Gehirn hält mich davon ab, mich umzubringen. Das ist die größte Qual die man sich denken kann: aus vollem Herzen sterben zu wollen, aber nicht können. Mein Leid klammert sich um seinetwillen an meinen Körper und lässt ihn nicht gehen.

Ich kann mir noch nicht vorstellen, dass ich dich niemals küssen werde. Ich hab einen neuen Leberfleck an meiner linken Hand, ich hoffe er ist bald wieder weg. Ich bin mir so sicher, dass ich dich küssen werde, dass es mir so vorkommt, als hätte ich dich schon geküsst. Das ist das seltsamste Gefühl, das ich jemals hatte. Vieles was ich geschrieben habe, entspringt bloß meiner Unfähigkeit, mit diesem Gefühl etwas sinnvolles anzufangen. Die Haare und das Gesicht verfettet, aber wen interessiert das schon? Ich seh aus, als sei ich frustriert. Vielleicht sehen alle so aus, die gleichgültig sind. Ich stell mir vor, wie ich dir den Kaugummi meiner Gleichgültigkeit in dein gelangweiltes Gesicht klebe. Du siehst aus wie ein Idiot. Ich küsse dich, deine Haut ist kalt, ich weiß nicht, ob du mich gespürt hast. Ich habe einen Alufolien-Ball im Mund und zerkaue ihn langsam. Die Stadt ist hart wie Stein, ich denke mir steinharte, sperrige Songs aus, die keine Hintergedanken haben.

Es steckt nicht mehr viel Hoffnung in Erfurt. Die Djs nehmen uns einfach nicht ernst, sie glauben sie wissen was wir brauchen, wenn wir glücklich und wenn wir traurig sind. Eines Tages werde ich den Charme haben, glaubhaft für die Zerstörung von Großraum-Diskotheken einzutreten. Wer heutzutage sich nicht im Stande fühlt, für seinen Geschmack zu töten, hat es gar nicht verdient, überhaupt etwas Gutes und Schönes und Bedeutendes zu schmecken - dies ist mein Stolz, den ich wie eine Fackel trage, um diejenigen zu warnen, die mich kennen und diejenigen zu belustigen, die mich nicht kennen. -


2

Abenddämmerungsspaziergang. Der Himmel war mit dunklen, scharfkantigen Wolken verhangen, ab und an brach ein hellblaues Dämmerungsglühen durch, die Luft war kühl und so würzig wie nur Herbstluft sein kann. Ich würde gern sagen, dass ich überwältigt und erschlagen war von dem Anblick, dass die Schönheit des Himmels mich zu Tränen rührte und ich mich vor Ergriffenheit federleicht fühlte. Aber so war es nicht. Ich habe mich nur an die magischen Schauer erinnert, die mich als Kind so oft erzittern ließen, wenn ich in den schönen Himmel blickte: meine Erinnerung ist nur die blasser Schatten. Die Schönheit der Natur kann mich nicht mehr erschüttern. Ich kann mich nur noch danach sehnen. Diese jämmerliche Sehnsucht ist seit Jahren mein ständiger Begleiter. So muss sich ein alter Mann fühlen, der vor vielen Jahren seine einzige große Liebe verloren hat und sich nun mit düsterem Gesicht durchs Leben stiehlt. Irgendwas steht mir im Weg, irgendetwas hat mich abgestumpft. Vielleicht kann man kein funktionierender Erwachsener sein, wenn man immer wieder von bestimmten Erlebnissen hingerissen ist. Viele Leute halten ihre Sehnsucht hoch und beteuern sich und Anderen, dass sie mehr wollen: so können sie wenigstens mit gutem Gewissen das, was sie nicht wollen, auf sich niederregnen lassen. Auch ich bin so: "Seht nur, ich sehne mich danach, nicht abzustumpfen, deshalb werde ich auch nicht abstumpfen!" Diese Eitelkeit ritze ich mir tief ins Herz wie ein verblödeter Teenager den Namen seines Angebeteten in den Baum ritzt. Und wenn die Liebe nicht anbeißt, hat man es wenigstens versucht und kann leichter vor dem schmiedeisernen Schicksal kapitulieren. Mit allem, was ich schreibe, versuche ich, das in mir kaputt zu machen, was die Intensität meiner Wahrnehmung, meiner Gefühle herabdrückt auf das schäbige Niveau eines friedlichen, alkoholkranken Lastwagenfahrers. - Dieses Buch ist eine Grenzlinie, der Versuch, etwas klar zu stellen, der Versuch zu beweisen, dass ich nicht untergehe, und letztlich der Versuch damit zu leben, dass ich nichts beweisen kann.

Ich hab so wenig für all die Menschen übrig, die mir in meinem Leben begegnen. Ich wünschte sie würden dringend meine Hilfe brauchen, bloß, damit ich sie verweigern kann. Ich interessiere mich nicht mehr für die Ursachen meiner Abscheu, ich will einfach nur noch annehmen, was mein Körper mir gibt. Fast jedes Gesicht ist eine Strafe, fast niemand bekommt, was er verdient und die Ausnahmen sitzen beieinander und schmieden einen Plan gegen mich. - Ist mein Körper gemacht, mich zu ertragen? Bin ich meine ersten und lautesten Gedanken? Hab ich überhaupt das richtige Gefühl für Zeit und Lautstärke? Hört mein Ich auf meinen Körper oder andersherum? Will ich meine Verwirrung behoben haben?

Gesegnet mit meinen Unfähigkeiten und Überempfindlichkeiten, will ich meine Lüste nicht zu einer albernen Banalität herunterwirtschaften, nur um mich sozialversicherungspflichtig erniedrigen zu lassen. Die Arbeitstiere, die Malocher, die Schindmähren, die fanatischen, überhitzten oder unterkühlten „Automaten der Pflicht“ wissen, wieviel sie geopfert haben, um zu funktionieren und setzen ihr Leid, ihren Wahn, ihre Ideologie, ihre „Realität“ als das Maß aller Dinge fest und werden böse, wenn man leichter, gemütlicher, genüsslicher, vorsichtiger leben will und sich nicht den Bedingungen der Großen Maschine unterwerfen will, die man weder gebaut, noch befürwortet hat, für die man nur ein mikroskopisches Zahnrädchen ist, absolut verzichtbar, absolut verzichtbar, absolut verzichtbar. Ach, ich hab mit meinem Leben wirklich besseres vor, als mich jeden Tag aufs Neue um Grundlegendes zu kümmern. Ich bin froh, in einem mehr oder weniger fortschrittlichen Sozialstaat zu leben, statt in einer antiken Sklaverei oder einem mittelalterlichen Bauernstaat - aber dafür fühle ich mich niemandem persönlich zu Dank verpflichtet. Ich werde mich hüten vor denen, die mir Ehrfurcht einflößen wollen vor der ganzen stumpfen, langweiligen, krank- und müde-machenden Knechterei.
Monströses Gestampfe. Zerbrochene Helme. Schwarze Lungen. Ein Schwall unerträgliche Hitze, ein Schwall unerträgliche Kälte. Hier wird Schmerz produziert und in die Welt exportiert. Man darf niemandem vertrauen, hat Mama gesagt. Versuch dich irgendwie durchzuschleichen. Wenn niemand guckt, sei böse. Wenn jemand guckt, tu so als wäre dir alles egal. Du willst in irgendeine Richtung geschossen werden, du hast Angst vor Schmerzen. Wenn du schnell rennst und dann springst, kannst du fliegen. Wir sind hier nicht in der Gegenwart, die Gegenwart gibt es gar nicht. Wenn man etwas später zum Essen kommt, dann sagt man einfach, dass man keinen Magen hat. Das Bewusstsein kann nichts entscheiden. Ich tue was ich will und was ich nicht will. Falls deine Ohren anfangen zu summen oder falls du nicht genug Kugeln im Revolver hast oder falls du nicht weißt, worunter du leidest oder falls du den Zug verpasst hast, solltest du dir einen Gott erfinden und ihm ein paar scharfe Gebete in seinen Arsch stopfen.

3

Mein Körper will erwachsen werden, aber ich kann seine Hoffnung nicht teilen.

Niemand hat das Recht, dem Dozenten ins Ohr zu beißen, egal wie giftig seine Zunge ist. Wir leben in einer Zivilisation. Du musst gefallen daran finden, sonst findest du keine Liebe. Du bist abhängig, also gehöre dazu. Es macht Spaß und was anderes findest du niemals! Wir sind alles eingepferchte Schweine, die irgendwie ihre gierigen Bäuche stopfen wollen. Wir sind abhängig von unserer Schweineseele. Wir müssen ihr gehorchen, sonst zerbricht das Universum.

„Ich bin nicht stark genug, um böse zu sein.“ ist der Urgroßvater, „Ich trau mich nicht, böse zu sein.“ ist der Großvater, „Ich hab es nicht nötig, böse zu sein.“ ist der Vater des Gefühls, gut und damit reiner und gesünder zu sein als die, die stark oder verzweifelt genug sind und es nötig haben, böse zu sein.

Letztlich ist alles lächerlich: Amok laufen, kein Amok laufen. Mal sehen, wie sich mein Körper entscheiden wird. - Ein Amoklauf ist sicher keine Lösung, aber das was die Anderen tun ist auch keine Lösung. Und wenn sie's als Lösung verkaufen, dann kann ein Amoklauf auch als eine verkauft werden. Mein Schicksal liegt fest in meiner Hand, so wie ich einen Hammer fest in der Hand habe und damit einen Nagel in die Wand hau, an den ich aber nicht meine schönsten Alpträume oder meine Angst vor Gewitter hänge, sondern meine hässliche Windjacke.

Der Spiegel an meiner Wand hat die Nase voll - ich reiche ihm ein Taschentuch, in das ein schönes Lied gewickelt ist. Etwas sitzt hinter meinem Gesicht mit einer Schere. Ich kann nichts problemlos aussprechen. Ich kann nichts fanatisch fühlen. Mein sperriger Körper blockt meine Wildheit ab. Die Kälte meines Herzens lässt mein Gesicht aufquellen. Ich will nicht, dass irgendjemand mich sieht. Ich kann niemanden umarmen, ich kann niemanden küssen, weil ich nicht so aussehe, als wüsste ich, was Liebe ist. Ich bin eine unbeholfene Tunte im Körper eines fettigen, hässlichen Kindes.

Du willst mich nicht küssen, weil du spürst, dass ich dich nicht küssen kann, ohne ein dummes Grinsen in meinem Herzen zu haben, das eine schreckliche Wahrheit verbirgt. Du liegst neben mir und ich spüre, dass du mein Zögern spürst - oder ist es deins? Ich schwöre, dass mein Herz nicht mit meinem Gesicht verbunden ist. Ich kann mich nicht verändern. Ich wünschte, ich wäre kein Mensch, ich wünschte, ich wäre nur dieses Buch. Ich verschweige ein paar Dinge, damit ich mich wie jemand fühle, der weiß, was zu tun ist.

3

Keine Behörde ist im Stande, meine Existenz zu verwalten. Kein Vertrauter kann mich mehr beeindrucken. Keine Gewissheit kann meine Zweifel beruhigen. Ich werde alle Dokumente vernichten und als scheues Raubtier durch die Welt irren und im Alter von 120 Jahren von einem Polizisten rechtmäßig erschossen werden. Meine Organe werden noch alle vortrefflich funktionieren, sodass ausnahmslos alle transplantiert werden können.

Acht Stunden an der Kasse sitzen, meine Kollegen hassen mich für meine Langsamkeit, rostige Schrauben aus Wut verdrehen mein Herz, ich hab ja fast den Körper eines Mädchens, meine beste Freundin will mit mir tanzen gehen, mit verbundenen Augen durch den Tunnel der Nacht hat man weniger Angst depressiv zu werden, in der Scheingeborgenheit des Klubs kommt sich niemand wirklich nah, neonbunte, aufgeblasene Langeweile, Plastikgefühle, vergiftete Lippen. Je mehr du abstumpfst, desto weniger wird die Katastrophe weh tun, die unausweichlich ist.

Ich wache auf, unter einem Kneipentisch und du bist nicht mehr da. Der Barmann sagt, du hast eben angerufen und ich soll den gelben Regenschirm mitnehmen, den du hier irgendwo liegengelassen hat. Auf allen Vieren suche ich nach dem Ding, während du auf der Beerdigung deines Vaters nach den richtigen Gefühlen sucht. - Ich hab Lust mich in der ganzen Stadt zu plakatieren: mein sympathisches Gesicht und meine Telefonnummer. Ich döse wieder ein.

Ein sonniger Nachmittag. Es liegt Schnee. Wir beide sitzen in einem großen, weißen Lieferwagen. Ich mach den Motor aus, lass den Schlüssel stecken, mach die Tür auf, drück den Riegel runter, steig aus, mach die Tür zu, klettere aufs Autodach, leg mich hin und versuche unverkrampft den blauen, zart bewölkten Himmel anzugrinsen. Ich rufe: „Hey, kommst du mit hoch? Lass aber den Schlüssel stecken und mach den Riegel runter, damit keiner mehr reinkommt.“ Du steigst aus, machst den Riegel runter und kurz bevor du die Tür zuknallt, fragst du: „Und wie kommen wir wieder ins Auto zurück?“ und ich sage nichts und so kletterst du zu mir hoch, legst dich neben mich und schaust mit mir die weißen Wölkchen an, die im blauen Himmel schwimmen. Ich habe spätestens jetzt das Gefühl, dass das Grinsen in meinem Gesicht echt ist. Hinter uns staut sich der Verkehr und die Leute hupen. Du fragst "Was wollen wir jetzt machen?" und ich sag nichts. Ein paar Leute steigen aus ihrem Auto, kommen wie dumme Hühner zu uns herangewatschelt und glucksen: "Was zum Himmel soll das hier werden?"und "Ihr seid ja paar Witzbolde! Bewegt Euren Arsch ins Auto zurück!!"und ich sag nur: "Alles wird gut!" Wir empfangen ein sehr schönes, dröhnendes Geräusch, was aus dem Himmel zu uns drängt und uns allmählich hypnotisiert. "Was machen wir, wenn die Polizei kommt?", fragt einer von uns und der Andere antwortet: "Wir sagen, wir hätten uns ausgesperrt und warten auf den Pannendienst." Tatsächlich lich nähert sich bald eine Sirene und ein Polizist besucht uns auf dem Dach. "Was soll das hier?"und einer von uns sagt "Wir haben uns ausgesperrt, der Pannendienst ist aktiviert."und der Polizist sagt: "Alles klar, wir warten mit ihnen," und der Himmel hat uns nun fast ganz aufgelöst und ich spüre, wie einer von uns beiden denkt "Und jetzt?" und der andere in Gedanken antwortet "Ist doch egal!" -

4

Ein modernes Auto vor einem großen Haus, eine schöne Frau und ein starker Mann, die Kinder wollen Aufmerksamkeit, ihre Schuhe passen zu ihren Hosen, prächtig wachsen die Blumen im Garten und die Sonne ist gleichgültig und der Postbote mit der gelben Jacke kommt und er grinst und seine Schuhe sind stabil. Der Schuldirektor erwartet ein Päckchen aus Prag, er hofft, dass es wirklich neutral verpackt wird, wie es der Verkäufer versprochen hat. Er atmet auf, als der Postbote mit einem gewöhnlichen, braunen Karton vor der Tür steht. Weil Frau Schuldirektor noch nicht da ist, geht er ins Wohnzimmer und macht die Gardinen zu. Das Leben ist einfach, wenn man ab und an unbeobachtet sein kann. - Leute glauben an Leute und ans Glauben und zerstören Leute. Leute schließen sich ein oder kriegen Besuch oder stellen sich immer die gleichen Fragen. Leute meditieren im Park oder fressen Gift oder verlieren manchmal die Kontrolle. Sie machen Urlaub oder erschrecken sich. Leute gehen irgendwie mit ihren Ängsten um. Leute hören auf, sich zu spüren, Leute essen gesunde Sachen und wollen sparen auf irgendwas. Sie ziehen bunte Sachen an und sind manchmal traurig und tanzen manchmal. Leute vertrauen ihrem Geld, denken manchmal daran sich in die Hosen zu machen und tragen manchmal zwei unterschiedliche Socken und heute haben die Stadtwerke eine Warnung vor Colibakterien im Trinkwasser herausgebracht - das Wasser muss mindestens 10 Minuten abgekocht werden. Ich habe das Gefühl, jeden Tag etwas zu verlieren, meine Freunde sind da - sie sind der Boden meines Daseins und über mir die Wolken. Mein Kopf ist weich und dazu verdammt, wahrzunehmen. Die Tage vergehen ganz langsam, aber die Wochen fliegen nur so vorbei. Macht es mich traurig, dass mir so schrecklich viel egal ist? Ich überblicke nicht mehr, welchen Behörden und Unternehmen ich Geld schulde, jeder will etwas von mir haben. Ich kann einfach nicht genug Angst haben und mich beugen. Ich nehme ein Bad, höre eine Platte von Peter Brötzmann, trinke Energy-Soße und Bier und werde zittriger und blumiger und dann springe ich plötzlich aus der Wohnung, hinein in das banale, triste, lächerliche Treiben der Stadt, auf dem Weg zu meinem Job. "Weil das Leben immer gleich endet, nehm ich nichts zu schwer, außer vielleicht...", sagt jemand und springt weit weit weg. "Ich will alles versuchen, was ich nicht kann", sagt jemand und tut es. "Ich brauche keinen Gott, der mich nicht finden kann", sagt jemand und spielt an seinem Arschloch herum. "Ich habe nicht viel Geld, die Hälfte meines Hab-und-Guts habe ich geborgt, die andere Hälfte habe ich verborgt", sagt jemand und ist auch noch stolz, nur weil sein Elend in knappe Worte gepackt gut klingt. "Ich kann nicht lachen, wenn andere lachen", sagt jemand und weiß nicht, dass sich das niemals ändern wird. "Ich kann nicht bekämpfen, was andere glauben bekämpfen zu müssen", sagt jemand und wartet einfach ab. "Komm wir kriechen unters Sofa und bauen uns eine Kneipe nur für tolle Leute", schreibt jemand bei Facebook und niemand schreibt zurück. "Ich will nicht das Wetter verändern, sondern mein Dach reparieren", sagt jemand mit zwei linken Händen und eine Mutter jammert: „Ich habe dir so viel gegeben und noch so viel zu geben.“ und ihr süßer Sohn entgegnet: „Das kümmert mich nicht mehr.“ und die Mutter rülpst: „Ich erwarte etwas von dir.“ und der Sohn flüstert zornig: „Ich musste nehmen, was du mir gegeben hast.“ und die Mutter: „Und du hast es nicht gern genommen??“  und der Sohn: „Und du hast es nicht gern gegeben?!? FOTZE!!“

Mir ist schwindlig von den Autoabgasen und ich bin durstig. Männer und Frauen mit weißen Haaren blicken neidisch, sehnsüchtig, schadenfroh mir nach und ich höre ihre Gier schmatzen in ihren Köpfen. Ich schäle eine Banane und stopfe sie in ein rostiges Rohr und vereinige so alle Sterne zu einem einzigen Bild. Das Haus zittert vor meinen leichten Sinnen. Wir brauchen niemanden, der auf uns aufpasst. Wir sind belehrbar nur in ironischem Ton, wie im Theater. Ich möchte wie ein Affe klettern können. Wer seinen Sinnen vertraut, wählt auch CDU. Ich tu gern Leuten weh. Morgen wird meine Stimme ein Stück fader sein.

5

Ich beobachte mich wie ein Tier hinter Gittern: du liegst auf einer großen Matratze, schaust an die weiße Zimmerdecke, an der der Schatten der Gardinen tänzelt, lässt die frische Luft in deine Lungen rauschen und genießt deine warme, feuchte Müdigkeit, die wie ein alter Hund zwischen dir und der Welt knurrt. Du hast das Gefühl, für niemanden erreichbar zu sein, hörst draußen den Wind säuseln, ganz in der Ferne zwitschern ein paar Vögel, sonst ist alles sonntagmorgenstill. Du nimmst fünf große Schlücke roten, scharfen Ingwer-Tee, der dein Gehirn und deinen Unterleib kräftig durchblutet und räkelst dich mit einer unentschiedenen Erektion im Bett herum. Du bist jemand, der nicht ehrlich zu sich sein kann, du bist viel zu tief, viel zu dunkel, viel zu schwammig dafür - deshalb kannst du nur arrogant und vergesslich werden. Das Ich ist Konsens deiner gröbsten Schwächen und Stärken. Frag dich, was dich bisher am Leben gehalten hat und was dich am schlimmsten gedemütigt hat, dann weißt du, was du bist. Wenn man genau hinschaut, findet man früher oder später alles aufgesetzt, falsch, unglaubwürdig, gekünstelt, abgedroschen und langweilig. Jedes Wort ist ein Wort zu viel. Jedes Wort ist ein Loch.

Ich will aus dem Buch raus und bei dir rein, aber du bist noch zu steif, die Kälte in diesem Buch hat dir noch kein Fieber gebracht - das Fieber aber ist die Tür, durch die ich kommen werde. Ach, ich bin geduldig, ich bin das geduldigste Tier der Erde.

Plötzlich erschrillt das grelle Rauschen eines Radioweckers, zeitgleich ein hässlicher Kopfschmerzstich. Die Antenne scheint kaputt zu sein. Du willst das Ding ausschalten, aber findest den Knopf nicht, also ziehst du das Netzteil aus der Steckdose und schon jagt der zweite Stich durch deinen Kopf und versucht sich mit dem ersten zu paaren, aber mit dem gleich darauf folgenden ersten, kräftigen Gähnen lösen sich beide Stiche wieder auf. In der Gewissheit, dass dein Körper dir mit den Stichen nichts wichtiges zu sagen versucht, stehst du auf, schluckst zwei grüne Koffein-Tabletten und brummkreiselst nach draußen.

Die Ungreifbarkeit der Stadt gibt den Straßenmusikern eine bedrohliche Aura; was führen sie im Schilde, wenn sie in dieser stickigen Einkaufspassage von heller Sonne und blauem Himmel singen? Woran denken ausgewrungene Leiharbeiter, die wie Cowboys durch die Gänge der Einkaufszentren stolzieren auf der Suche nach Vollmilch und Rindfleisch? Draußen rauschen bunte Fahrradfahrer an mir vorbei, ein mit Bierdosen vollgepackter Kinderwagen, freundliche Hunde, beruhigende Springbrunnen, unfreundliche Eis-Verkäufer, mit vulgärem Grinsen und saftigen Titten lockende Dorffest-Plakate. Niemand sieht mich, ich bin mit Bratnudeln vollgefressen. Ein paar Menschen vor mir an einem Tisch. Der mit dem Rücken zu mir redet aufgeregt, der links neben ihm fühlt sich genervt, zeigt es aber nicht, die Frau ihm gegenüber sieht dumm und uninteressiert aus, die rechts neben ihr wischt pausenlos über ihr Smartphone, der neben ihr versucht so zu gucken, als würde er mehr hoffen als glauben, am richtigen Ort zu sein. Am Tisch daneben: ein Mann telefoniert, die Frau ihm gegenüber schaut enttäuscht, ihre zwei Kinder halten sich die Ohren zu und ein ausgetrocknetes Ahornblatt schleicht an mir vorbei. Ich folge ihm und unter duftenden Kirschbäumen mach ich die Augen zu und niese. Den ersten Menschen, den ich sehe, wenn ich sie wieder aufmache, werde ich verfolgen. (Ich brauche mindestens einmal am Tag ein Ziel.)

Seit einer halben Stunde laufe ich einem Pfandflaschen-Agenten hinterher. Er führt seinen Auftrag ruhig und besonnen aus, die Würde die von ihm ausgeht, imponiert mir. Unsere Wege trennen sich am Anger: er bringt seine Beute in den tegut, ich hüpfe in die nächste Tram.

Mir wird schwindlich. Die Straßenbahn ist dreimal heißer als sie sein dürfte. Ein endlos nach vorn und hinten fliehender Toaster. Ich sitze genau in der Mitte dieser zwei Unendlichkeiten, versteckt unter meiner übergroßen Lederjacke, siehst du mich? Moment, bist du überhaupt eingestiegen? Gibt es dich überhaupt? Nach meinem Zeitgefühl müsste es längst Nacht sein, aber draußen strahlt die Sonne. All die tausend Menschen hier in der Bahn zusammengedrückt wie Hackfleisch in einer Plastikpackung. Einige haben das Wort „freiwillig“ auf ihre Stirn geschrieben. Ich weiß nicht, ob bei mir was draufsteht. Ich entdecke in der Innentasche meiner Jacke einen Stift und habe Lust ein Wort auf meinen linken Handrücken zu schreiben, aber weiß nicht welches und vermute, dass ich deshalb auch noch nicht richtig in dieser Stadt angekommen bin. Wie verhalte ich mich zu ihr, welche Rolle will ich hier spielen, als was soll ich mich aufbrezeln? - Ich steige Haltestelle Riethstraße aus. Zehn Uhr morgens. Alte, hässliche Kommunisten in Frauenkleidern predigen den Untergang unserer Zivilisation, verleihen mit Megaphon und schwarzen Luftballons ihren Anmaßungen Kultur. Hyperaktive, fast transparente Kinder führen rückwärts-tänzelnd ihre Erzieher an der Nase herum. Die Jungs von der Handelskammer kotzen unnötige Synapsen in extra dafür gebaute Waschbecken (die man per Knopfdruck aus der Wand fahren lassen kann), am Rand der Großstadtrinde lassen mutige Straßenarbeiter ihre angeborene Männlichkeit auf die unförmige Metropolenbrut los, autistische Vögel halten ewig und vergeblich dagegen, alle möglichen Fahrzeuge krabbeln aus ihrem Versteck, die ganze arbeitende Bevölkerung schiebt ihre Maschinenseelchen in den funktionstüchtigen Organismus: durch die Äderchen der Stadt, auf der Suche nach tierischem Eiweiß, Kohlenhydraten, Ego und Stimulanz; eine schöne Iranerin verkauft Sonnenuntergänge, auf einer Reklametafel sieht man einen bekannten Gangster-Schlagersänger, selig grinsend, darunter in rosa Buchstaben „Semtinus. Unser Klopapier macht selbst die härtesten Männer schwul.“ Rael geht mit einem leeren Handwagen durch die Stadt, seine Klamotten stinken nach abgestandenen Alpträumen, die Leute schauen ihn an, als wüssten sie, was er denkt, sein Herz ist blind wie alle Herzen und treibt ihn durch die Straßen auf der Suche nach Fressen und vielleicht haut er morgen von hier ab. Er würde am liebsten seinen Kopf im Pfandhaus abgeben, aber dann könnte er keine Musik mehr hören, denkt er und lacht wie eine Orange, sein Leuchten lockt zwei Streifenpolizisten an, die ihn komplett auseinandernehmen, aber nichts finden.

Männer sollten nur Polizisten werden dürfen, wenn sie sich vorher kastrieren lassen: dann leiden sie nicht mehr unter dem Druck ihrer Sexualhormone und werden ruhiger. Das funktioniert bei Katern auch. Es werden dann nur diejenigen Polizisten, die wirklich den Menschen vor dem Menschen schützen und nicht solche, die ihre Uniform und ihre Waffe als Potenzmittel benutzen. Oder wollen wir Triebtäter als Ordnungshüter? Über die Psychologie des Polizisten weiß man heute folgendes: er ist ein „ganzer Kerl“, ein Abenteurer, der das Extreme sucht; er liebt seinen Job, aber nicht weil er anderen helfen kann - dies ist nur der moralische Vorwand, um das Eigentliche aufzuhübschen: der Polizist will Gewalt ausüben, egal gegen wen, er will Trubel, er will an den schlimmsten existentiellen Schicksalsschlägen teilhaben als erhabener Beobachter mit außergewöhnlichen Befugnissen. Er ist ein Krieger, der blind Befehle der Administration ausführt. Er ist das Werkzeug der Herrschenden. Seine Pistole, sein Schlagstock, sein Pfefferspray sind Penis-Verstärkung. Jede Gewalttat, die ein Polizist gegen einen von der Administration als „schädlich“ kategorisierten Menschen verübt, ist ein moralisch sublimierter Sexualakt. Der Polizist erzählt seinem Weibchen nach Feierabend mit glühendem Herzen und einer geheuchelten, betroffenen Miene, was er für Abenteuer in der Wildnis erlebt hat und hofft, dass sie dadurch besonders große Lust bekommt, die Beine breit zu machen und von seinem mit Narben ausgezeichneten Manneskörper überwältigt zu werden. Die Schusswaffe auf dem Nachttisch lässt gut über nur mäßig funktionale oder mäßig ästhetische Geschlechtsteile hinwegsehen. "Und was ist mit Polizistinnen?", fragt ein Mädchen in der zweiten Reihe. Polizistinnen sind pathologische Muttertiere, die gern einen Penis (“die Hosen an") hätten und deshalb so gern an einem lutschen und so geil darauf sind, eine Pistole am Gürtel zu tragen. Sie zeigen: ich kann mit Gefahren umgehen, ich bin eine Herausforderung, ich hab den Überblick, ich bin eine gute Mutter und eine strapazierfähige. Man sollte ihre Eierstöcke rausräumen und ihre Vagina zunähen, so dass sie gerade noch pissen können: dann darf sie gern eine Pistole in die Hand nehmen und auf die wirklich Bösen schießen.

6

Dein Körper ist ein Gegenstand, der nicht weiß, wozu er sich benutzen soll. Das dümmliche Selbstverständlichkeitsgehabe der Gegenstände ringsherum treiben dich in eine Müdigkeit, die du zerbrechen willst, aber nicht zerbrechen willst. Es ist kurz vor 5 Uhr morgens, du sitzt in einem Zimmer und dein Bewusstsein erkennt sich selbst und du beobachtest deine Wahrnehmung, wie sie wahrnimmt, dass du dein Zimmer wahrnimmst; all deine Sinne nehmen sich selbst wahr, konsumieren sich, verdauen sich - und der Druck hinter deiner Stirn wird immer tiefer. Dein Zimmer hat einen kreisrunden Grundriss, abgesteckt mit Kommas, in der Mitte ein bunter Komposthaufen, auf dem sich Fragezeichen und Ausrufezeichen wie Maden und Würmer kringeln. Du kriechst wie ein kaputtgehetztes Tier ringsherum und wartest, bis jemand an die Tür klopft und du dann das immergleiche Schauspiel vollführen darfst: in den Haufen beißen und so tun, als wärst du der glücklichste Mensch der Stadt. Aber es klopft niemand. Das Fenster ist weit geöffnet. Dir ist kalt. Die Vögel zwitschern. Du hast die ganze Nacht damit verbracht, in deinem Zimmer zu sein und dich so intensiv zu langweilen, bis du hinter die Langeweile kommst, dort wo ein Wahnsinn wohnt, der alle Worte und Gefühle soweit aufpumpen kann mit Leere, bis sie platzen - und du wolltest sogar hinter jenen Wahnsinn kommen (hinter dem nämlich deine unverbrauchbare sexuelle Energie, deine Mordlust, deine heikelsten Perversionen warten), aber du hast es nicht geschafft und nun bist du fleischgewordenes Nicht-geschafft-haben, das niemals mehr etwas mit sich anfangen kann und du willst hinter dieses Niemals-nichts-anfangen-können kommen und findest nichts als Langeweile und nun schaust du deiner Langeweile zu, wie sie sich selbst wahrnimmt, wie sie sich atmet, wie sie dich atmet und du machst die Augen auf und zu und auf und zu und auf und zu. Du hast Angst einzuschlafen (zurecht, denn so wie du jetzt bist, kann dein ganzes Leben sogar von einem geträumten Loch verschluckt werden).

Jeder eckige Gedanke ist eine Verzerrungen der Wahrheit. Ein saurer, haariger Druck dehnt sich langsam in deinem runden Kopf aus. Dein Gesicht ist so schrecklich weich, du kannst es nach Belieben kneten und dir ist Angst und Bange deswegen. Du schneidest deine Haare ab, stopfst sie in deinen runden Mund und kaust sie - die runde Luft anhaltend - richtig schön durch. Ein Trash Engel tritt heran und du fällst auf die Knie, er lässt seine Hose runter, du schluckst deine Haare runter und nuckelst wie ein kleines Kind an seinem Penis, bis er sein heißes, süßes Sperma auf dein Gesicht spritzt. Du schließt deine runden Augen und spürst, wie sich das Sperma zu einer Maske verhärtet. Nun wird es dir vielleicht leichter fallen, all die Eindrücke zu verarbeiten, die hier auf dich warten: gierig, glühende Insekten auf der Suche nach Futter: fütter sie, fütter sie mit deinem Bewusstseinsfleisch, bau ihnen ein Nest aus düstrer Zuversicht.

Du existierst in irgendeinem Körper und die Welt glotzt dich an. Du bist gezwungen „ich“ zu sagen, dein Körper ist alles was du hast. Wirklich gelebt hast du noch gar nicht, sonst würdest du dich anders zu den Liedern bewegen, die du magst und würdest jetzt auch nicht so ein ratloses Gesicht machen. - Stell dir eine Person vor die lacht und schlag ihr in die Fresse - stell dir eine Person vor die weint und gib ihr einen Kuss - beobachte, wie beide wieder zu einem Kind werden und sich nach Sandkasten und Baumhaus sehnen. - Leg dich hin und bohre mithilfe deiner Unfähigkeit dir vorzustellen wie dein Leben in einem Jahr aussehen wird, ein tiefes Loch in den Boden und pinkel rein.

7

Ich habe geträumt, dass ich mit einem Freund eine Studenten-Für-Christus-Gruppe treffe. Die waren gerade auf einem Ausflug, um sich die Schöpfung Gottes anzusehen und wir haben so getan, als gehörten wir dazu. Nachdem wir uns schöne Berge und schöne Wiesen angesehen haben, ging es in einen Keller und ich musste einen Vortrag halten. Ich hatte eine Art dream-machine, die aussah wie ein Overhead-Projektor. Ich habe reingeschaut und bekam Visionen, die gleichzeitig an die Wand projiziert wurden und ich hab sie interpretiert. Ich konnte die brutalsten, vulgärsten, irrsten Visionen alle mit einem liebenden Gott in Verbindung bringen. Die Studenten haben alle gelacht. Ich war wirklich gut drauf und mein Freund hat sich benommen wie ein Filmstar. Seit ich diesen Traum hatte, bekam ich vor Lesungen und Konzerten nie wieder Lampenfieber, ich glaube dieser Traum hat mich mit einer Bühnenaura ausgestattet, die ich mein Leben lang behalten werde.

Ich bin das Zentrum. Jeder Mensch, der sich von mir unterscheidet, ist ein Generalangriff auf meine Absolutheit. Aus Mangel an adäquaten Waffen kann ich nur immer wieder den gepanzerten Schild meiner Selbstironie zwischen mich und die Welt schieben. Jeder Mensch, selbst der freundlichste und in mich am verliebteste Mensch will meine Absolutheit brechen - ob er will oder nicht, er tut es fortwährend, indem er neben mir existiert. Er kann noch so lieb lächeln, er kann noch so verständnisvoll blicken, er wird niemals genau so sein wie ich, er wird mich niemals verstehen, er wird mich immer nur enttäuschen können. Ich schäme mich für meine Unfähigkeit, einen Mord zu begehen. Mein Verstand ist scharf und willig, allein der Körper steht wie ein nasser Sack im leeren Raum und wartet, bis er umfällt. Meine Augen zucken nervös hin und her wie die Augen eines Insekts. Ich stelle mir einen Strafrichter vor, der mir sagt, dass es nicht schlimm ist, dass nicht jeder so ist wie ich. „Alle Gedanken und Gefühle in uns haben eine unterschiedliche Durchsetzungskraft, es gibt für alles gute Argumente und gute Gegenargumente. Das ist die sogenannte Ambivalenz, die teuflische Ambivalenz! Es gibt tausende verschiedene Vorstellungen von Gut und Böse - das ist die Relativität, die göttliche Relativität! Es gibt tausende Ängste, Ziele, Zweifel, die einen Menschen beherrschen wollen. Um überhaupt etwas tun zu können, muss man den immer denkbaren Einwänden trotzen. Man ist immer teilweise blind gegen bestimmte Empfindungen und Ideen, wenn man etwas tut. Da jeder Mensch von einem anderen Innenleben beherrscht wird, da jeder anders gebaut, woanders aufgewachsen, von anderen Menschen erzogen worden ist, unterscheiden sich die Menschen - und doch identifizieren sich riesige Menschenmassen - sogenannte Kulturen, traurige oder lustige Kulturen - mit bestimmten Werten, meist solche, die sich über viele Jahrzehnte, Jahrhunderte, Jahrtausende durchgesetzt haben, die durchgesetzt wurden. Alles ist ein riesiges, zielloses Spiel zwischen Existenz und Nichts. Ein allumfassendes Misstrauen ist produktiver als sich auf einen Sinn zu verlassen oder der sogenannten Vernunft zu vertrauen, die oft scheinen will, als wäre sie der erste und letzte Maßstab, als hätte sie auf alles Antworten, als wäre nur das wahr, mit dem sie umgehen kann."

Die Straßen sind absolut verdreckt, die Luft ist so verschmutzt, dass man nicht weiß, welche Tageszeit ist. Die ganze Stadt ein einziger verstrahlter Schrottplatz, auf dem schlaflose Krüppel mit verseuchten Echsen und Raubkatzen um die Vorherrschaft streiten. Ausgebrannte Autos, geschmolzener Plastikmüll, abstrakte, mörderische Metallgebilde, grau flimmernder Schmand, nackte Kinder, die mit blutenden Körperöffnungen spielen, alle Brunnen verrammelt. Ich hocke in einem Krater und mache mit einem Elektrorasierer Musik auf einer Eisenstange, bis die Batterie aus ist. Ich bin müde, doch der schlimme Gestank lässt mich nicht schlafen. Ich weiß nicht, wie lang ich schon wach bin. Das Licht von Suchscheinwerfern tastet gierig im Smog herum, drogenabhängige Polizisten - geschützt von einer organischen Panzermasse - durchwühlen auch noch die abgelegensten Winkel und vernichten ab und an Menschen mit Flammenwerfern - ich weiß nicht, warum. Vielleicht muss ich auch vernichtet werden? Ich erinnere mich daran, dass ich gestern einen Typen beobachtet habe, wie er sich mit einem rostigen Rohr kastriert hat. Er schaute mich mit seinen unendlichen Augen an, als wolte er seine telepathischen Fähigkeiten einsetzen, um mich dazu zu bewegen, das gleiche zu tun, doch bevor die Übertragung etwas bewirken konnte, wurde er von einem Flammenwerfer vernichtet. Ich habe Angst, dass seine Übertragung den Wunsch in mich gesetzt hat, mir die Eier abzuschneiden - und dass der Wunsch in mir langsam wächst und wächst, bis er genügend Macht hat. Diese Phantasie macht mir weiche Knie und ich stürze einen Abhang hinunter und wälze mich durch feuchten, phosphoreszierenden Giftmüll, der meinen ganzen Körper zu einem idiotischen Grinsen verzerrt. Meine Augen trocknen langsam aus und ich bete ein letztes Mal in meinem Leben zu Gott: „Verflüssige meine ganzen Innereien und drücke sie aus all meinen Löchern heraus. Ich will endlich meine Ruhe haben.“

8

Theater, Theater, Theater!
Der Schrecken zieht es an,
der Ekel zieht es rein,
der Stolz behält es drin.

Ein betrunken durch den Wald tanzender Punk schrie: „Punks not dead! Punks not dead!“ Er umarmte die Bäume am Wegesrand, küsste sie und versuchte sie zu schütteln, so als ob sie nicht zuhörten: „Punks not dead! Punks not dead!“ Da begegnete er einem komischen Streberling mit Brille und gebügeltem Hemd, auf dem ein roter Stern aufgenäht war, er lachte: „Hab ich dich richtig verstanden? Punks not dead? Sag mir doch, was nützen lebende Punks in diesem Wald? Hat Euch Gott nicht geschaffen, um in der Stadt Stimmung für eine bunte Revolution zu machen?“ Da brüllte der Punk zurück: „Was?? Willst mich verarschen? Punk gehört schon lang nicht mehr in die Stadt - für mich nicht mehr, für meine Freunde nicht mehr und für alle anderen Punks der Welt nicht mehr! Dieser Wald, so verdammt weit weg von den Fabriken der Depression, dieser Wald ist unsere Zukunft. Meine Freunde wohnen dort hinten, am See, und werden nie mehr zurückkehren in die Stadt. Aber nur, weil uns die Leute nicht mehr sehen, sind wir noch nicht tot. Wir werden die einzigen sein, die bester Laune überleben haben werden, wenn die Pest wieder zugeschlagen hat.“ - „Die Pest?“, wunderte sich der Streber und feixte: „Die ist doch schon jahrhundertelang ausgerottet!“ - „Ich rede nicht von der schwarzen Pest!“ Der Streber schüttelte den Kopf und verließ den Wald, während der Punk zu seinen Freunden am See lief, als hätte er eine fette Beute gemacht.

Ich stelle mir vor, dass ich ein Stückeschreiber bin. Vorhang auf. Ein Junge, auf dessen T-Shirt "Ich bin nicht Demien Bartók" steht, legt sich auf die Mitte der Bühne. Ein paar Mädchen mit weißen Kleidern kommen angetänzelt und schwirren um ihn herum und werfen kichernd Blumen und Konfetti und Plüschtiere auf ihn. Er ruft feierlich, während die Mädchen eine nach der anderen verschwinden: "Der Optimismus, der uns glauben machen will, dass es nur besser werden kann, ist nichts, woran unser Herz sich noch hängen kann! Es kann immer noch viel viel schlimmer werden als es schon ist. Wir wissen das. Jede Zelle unseres Körpers weiß das. Es gibt nur eine begrenzte Menge an Glück, die uns ereilen kann, aber das Leid und das Elend kennen keine Obergrenzen. Es kann jeden Moment alles schlimmer werden. Alles kann jeden Moment zusammenstürzen. Vielleicht ist jetzt der Moment gekommen, an dem alles zusammenbricht!“ Der Junge steht auf und schaut sich traurig um und kehrt mit den Füßen das Zeug zusammen, das die Mädchen über ihn gestreut haben und seufzt: "Nein, jetzt ist der Moment noch nicht gekommen.“ Ein Mann mit seriösem Anzug und Mittelscheitel kommt und spricht sonnig: „Es ist ganz einfach, sein Leben auf die Reihe zu bekommen, Junge. Du brauchst einfach nur viel viel Alkohol und ein paar Leute, die du ausnutzen kannst. Du bedenkst zu viel, das ist nicht gut für dich. Du kommst ohne Denken besser zurecht, denn Denken ist immer Zerdenken. Wenn du nicht denkst, ärgert und ängstigt dich auch die Ungewissheit nicht, ob und wann und wie alles zusammenstürzt. Ohne Denken gibt es keine Bedenken und keine Angst mehr. Deine Angstdrüse in deinem Gehirn produziert aus Gewohnheit Angst. Früher war die Angst gerechtfertigt, in der Wildnis oder im Krieg. Heute ist alles anders. Deine Angstdrüse hat es noch nicht begriffen. Sie denkt, du bist immer noch im Urwald oder auf einem Schlachtfeld, verstehst du? Du musst etwas dagegen tun, sonst blüht dir etwas, das du nicht für möglich gehalten hast!" Er holt eine Milchtüte aus seiner Arschtasche und gibt sie dem Jungen, der trinkt einen Schluck aus dem Strohhalm und lacht: "Das ist doch Milch!" und der Mann läuft wie ein durchgeknallter Affe zum Bühnenrand, macht bizarre Gesichtsausdrücke und schreit hysterisch lachend ins Publikum: "Solang du deine Füße unter unserem Tisch hast, wird gegessen, was draufsteht! Muhahaha!" Der Junge schubst ihn von der Bühne und singt: "Ich wache bestimmt gleich auf, aus einem sinnlosen Traum hinein in eine sinnlose Wirklichkeit!" Die Mädchen kommen dabei wieder angetanzt und schubsen ihn die Bühne herunter und singen fröhlich: "Es kann immer schlimmer werden, immer schlimmer, immer schlimmer." und springen lachend von der Bühne. Ein verzottelter Taugenichts kommt aus dem Hintergrund und spielt ein unruhiges, trauriges Stück auf der Klarinette. Auf dem Schild um seinen Hals steht "Anarchie". Ab und an unterbricht er sein Spiel und sagt sanft und etwas verlegen: "Ich bin die Anarchie. Ich suche Essen und einen Platz zum Schlafen. Oh wie schwer ist mein Herz!" Nach einer Weile klettert er von der Bühne und setzt sich auf einen Stuhl im Gang und schnarcht. Die Mädchen kommen auf die Bühne zurück und singen: "Wann willst auf aufwachen? Wann, sag mir, wann!" und der Penner schreckt auf und spielt ein paar willkürliche Töne auf der Klarinette und legt sich auf den Boden. Die Mädchen singen: "Im Jugendhaus Fritzer kann man einen Proberaum mieten, 2,50 die Stunde, Schlagzeug, Gitarren, Mikros und Verstärker alles da. Leider sind die Leute, die dort arbeiten, Nazis!". Der Penner schreckt wieder auf: "Das stimmt ja gar nicht, das stimmt ja gar nicht!", verscheucht die Mädchen von der Bühne und verteilt im Publikum kleine Schnapsflaschen. Er hat einen sehr angenehmen Duft. Im Hintergrund läuft ein kunstvoller Schwulenporno. Der Papst kommt auf die Bühne und predigt: , betritt der Papst die Bühne und predigt: "Die Welt hat sich verändert. Gott hat sich verändert. Die alte Ordnung ist dahin. Der Teufel hat seine mächtigen Zähne in die Seele unserer Gemeinde geschlagen, aber wenn wir ihn austreiben, zerreißen wir alles, was wir noch haben. Der abscheuliche Satan will uns alle kalt und wild machen, unempfänglich für Gottes Ohr. Er wird mit seinen Verführungskünsten vor Niemandem Halt machen, die stärksten Pfeiler unserer Gemeinde werden seine Opfer wie die kleinsten, unschuldigsten Kinder. Er treibt seinen Spott mit allem Ehrbaren, Guten, Heiligen. Er hat mit seinem Schwanz die Erde krank gemacht und will mit seinem Schwanz die Erde vernichten. Nur ganz Wenige gibt es noch, die noch wirklich an Gottes Liebe und Gottes Wahrheit glauben können. Aber auch diesen Schönen und Reinen wird er bald schon seinen mächtigen Schwanz in alle Körperöffnungen stecken - und sogar dort, wo kein Loch ist, wird er sich eins bohren, um seinen roten, saftigen, stinkenden Samen zu verpflanzen. Oh, meine lieben Brüder und Schwestern, ich verkünde Euch: Gott hat seinen Plan geändert. Er gestattet uns nun, Selbstmord zu begehen - ja, er rät es uns mit all seiner weisen, unendlichen, erhabenen Liebe! Der Teufel wird an allen Ecken, in allen Winkeln mächtiger, ja weit mächtiger noch als Gott jemals sein könnte. Eines Tages wird er siegen, oh meine Brüder, das wird er. Der Tod bleibt uns Gläubigen das einzige Mitteln noch, um der Herrlichkeit Gottes beizuwohnen. Ich werde mich in vier Stunden von meinem Balkon stürzen. Ihr seid keine Gläubigen mehr, wenn ich verschwunden bin: Euer Glaube zählt nur etwas, wenn ihr vor meinem Tod in die ewige Liebe und Wahrheit Gottes aufgeht, ich werde der letzte sein, den er aufnehmen wird in sein ewiges Reich, bevor er seine Füße in die Hand nimmt und sich von diesem Planeten zurückzieht und ihn dem Teufel überlässt, der allen Zurückgebliebenen unendliche Qualen bescheren wird. Es liegt jetzt an dir, frei zu wählen. Willst du das Gute, das einzig Schöne, das ewig Gerechte, oder das Böse, das einzig Hässliche, die ewige Tortur? Entscheide dich! Wenn du glaubst, dass ich verblendet bin oder lüge oder wahnsinnig, dann hat der Teufel bereits dein Herz in der Hand. Ich beschwöre dich! Ich beschwöre dich! Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Schweißes: Deutschland verrrecke." Wenn alle Schnapsflaschen verteilt sind und der Film zu Ende ist, ist auch das Stück zu Ende.

9

„Ich hasse Schubladendenken. Ich bin meine eigene Schublade.“ - Aber deine Schublade steckt in einem Tisch, der jedes Jahr millionenfach produziert wird. -“Dann will ich ihm wenigstens einen Fuß kürzen, damit er ganz individuell wackelt.“ - Deine Unfähigkeit, dich dabei lächerlich zu fühlen, macht dich noch erbärmlicher als jeden Opportunisten.

Schöne Menschen können sich nicht langweilen. Sie können einfach so dasitzen und ihre Schönheit in die Welt strahlen lassen und erfüllt sein. Menschen die nicht schön sind, müssen sich eine andere Art von Strahlung erarbeiten und das ist anstrengend und diese Anstrengung fühlt sich wie Selbsthass an.

Das weiße Haar der Jugend in einem kargen Zimmer. Niedergeschlagene Menschen pflücken sich feste Früchte vom Baum, Gedanken kreisen um Worte wie schwarze, knöcherne Geier des Todes und furzen. Unsere Herzen sind Idioten und die blöde Sonne geht nicht unter. Es gab eine Zeit, da schrie ich nach Rausch und ich bekam nur einen weiteren Selbstsuchtsanfall. Ich werde niemals etwas glauben müssen. Ich bin so abgestumpft. Vielleicht. Dieses Vielleicht ist der Mittelfinger meines Herzens, der sich tief in meine schmächtige Brust verbohrt. Ich hasse diesen Geschmack, den er erzeugt, aber auch so kriegt man seine Nächte rum.

Beweg dein Gesicht nicht auf mich zu! Meine Hände sind schmutzig, ich bin ständig gereizt, zwischen meinen Beinen ist nichts mehr zu holen, ich habe keinerlei Vertrauen in meine Organe, ich fühl mich wohl in meiner Wohnung, gestern ist mein Vater gestorben. Jeder muss mit seiner Fassung glücklich werden. Meine Kopfhaut juckt. Wir haben keine Ziele, die über die mageren Gewissheiten unserer Eltern hinausgehen. Wir nuckeln immer noch an der Brust von Mama und nur weil wir mit Sexualität vertraut sich, macht uns das nicht erwachsen. Wir kratzen uns am Kopf und merken nicht, dass es unser Bewusstsein ist, das juckt. Unser Körper ist eine Panne und wir können uns für keinen Ersatzreifen entscheiden. Alles, was rund ist, ziehen wir in Erwägung, halten unsere Daumen in alle Himmelsrichtungen und hoffen, dass uns jemand mitnimmt, aber hier draußen am Rand der Ordnung hält niemand freiwillig an und unser Stolz darüber heißt Ronny und nennt sich Dude. Das Herz ist ein schöner Stein, ein geheimnisvoller Stein mit einem goldenen Kern purer Langeweile. Wir ernähren uns gesund, wir legen saubere Eier, wir verdienen uns eine goldene Nase am Unrecht, das wir unseren Kindern aufbürden und jeden Tag werden wir ein bisschen schwerer, wir wollen alles, was möglich ist, verdichten zu einem endgültigen Vielleicht und unter den Teppich kehren. Ich kann mich nur auf die verlassen, die gegen mich arbeiten. Der letzte Schuss geht an den, der mich nicht verraten hat.

Wir legen Tarotkarten und trinken Schnaps. Ein totes Arschloch hat keinen Mundgeruch. Der Tod scheißt Liebe. Hätte nichts dagegen, wenn du irgendwo Amok interessante Leute anzutreffen Gesicht sehr glatt, weich, meine Pupse riechen gut. Ich werde dann, wenn es draußen etwas kühler Biokaffee. Bis mein Herz ist das genaue dunkel und heiß. Es gibt nicht mehr viel, was ich zu trainiert genug, um von selbst weiterzulaufen in ein subversives Gewächs am Rande immer tiefer ins dunkle, feuchte Erdreich, du schleichst auf den Dächern der Stadt umher, der Wille zur Blüte hält all deine Genitalien sitzt deine Selbstsicherheit, niemand nostalgisch, der dich riecht, jeder ist fasziniert von der Vorschlaghammer, eine scharfe Peperoni, ein wildes Kind, die Schweigsamkeit des Glücklichen, die Anmut der Weg bejahen musst - und du amorphes Werkzeug der dunkelsten, Körper und du hast etwas Heiterkeit. Niemand weiß, wozu du verlangen, weil niemand auf dem Weg ist, auf dem niemand der Weg ist, der du bist. Du spürst die Lust, die alles in dir zusammenhält, du bist ein bissiges Zusammenhalt der Gesellschaft, du bist nicht auf Friede, widerlichste, krankeste machen musst, was ein Mensch sich deine Neugier, deine Lust zu Herz, tu es ohne dich falsche Zeit, tu die Dinge um ihre Kraches willen laut, küsse der Küsse benutzt, jedes Ziel, das du dir setzt, ist nur ein Nebenprodukt in Gliedmaßen du Konsequenzen aus dem ziehen, was du wirklich dir gehören. Du wirst in Liebe erblühen, du wirst eine Heimat Gute und Böse, dessen dein Körper fähig ist, beisammen Inbegriff eines ____________ Menschen sein.